Auswahl – Technik – Regeln: Es tut sich was

12.11.2014

3. Deutscher Reparaturtag in Hannover

Am 23. September 2014 fand in der Niedersachsenhalle des Hannover Congress Centrums (HCC) der 3. Deutsche Reparaturtag statt. Rund 250 Netzbetreiber, Planer und Mitarbeiter ausführender Unternehmen sowie 35 Aussteller waren der Einladung vom Verband Zertifizierter Sanierungsberater für Entwässerungssysteme e.V. (VSB) und der Technischen Akademie Hannover e.V. (TAH) gefolgt, um Erfahrungen über den aktuellen Stand der Reparaturtechniken auszutauschen. Ausreichend Gelegenheit hierzu boten sowohl die begleitende Fachausstellung, auf der die Sponsoren der Veranstaltung ihre neuesten Entwicklungen aus dem Bereich der Reparaturverfahren vorstellen konnten, als auch das dreigeteilte Vortragsprogramm, in dem es insbesondere um Anforderungen, Materialien, die praktische Umsetzung sowie um Planung, Bauüberwachung und Honorierung ging.

Deutlich wurde in Hannover vor allem eins: Es hat sich was getan rund um das Thema Reparaturverfahren, egal, ob es um den Stand der Technik, die Kriterien bei der Auswahl des geeigneten Verfahrens oder um aktuelle Entwicklungen im Regelwerk geht. Als der 1. Deutsche Reparaturtag im September 2012 in Mainz aus der Taufe gehoben wurde, hatten die Reparaturverfahren trotz zunehmenden Marktanteils mit vielen Vorurteilen und einer fehlenden Lobby zu kämpfen. Mittlerweile sind die vielen, teilweise noch jungen Verfahren auf dem Weg in die Normalität. Auch das zeigten die Beispiele aus der Praxis in der von Prof. Dr.-Ing. Volker Wagner, Hochschule Wismar, moderierten Veranstaltung.

"Die Schaffung einer zentralen Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung zählt zu den großen Errungenschaften der letzten 150 Jahre", stellte Dr.-Ing. Igor Borovsky in seiner Begrüßungsrede fest. Hieraus sei eine flächendeckende Infrastruktur entstanden, die heute einen der größten Werte unserer Volkswirtschaft darstelle, so der 1. Vorsitzende der Technischen Akademie Hannover. Insbesondere mit Blick auf die nachfolgenden Generationen erwachse hieraus eine enorme Verantwortung für den Werterhalt der unterirdischen Einrichtungen. Dass nach wie vor Handlungsbedarf besteht, dokumentiert nicht zuletzt die viel zitierte Umfrage zum Zustand der Kanalisation von der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V. (DWA). Die Ergebnisse verdeutlichen die Notwendigkeit, der Kanalisation mehr Aufmerksamkeit zu widmen, da trotz erhöhter Investitionen noch keine Verbesserung des Gesamtzustandes eingetreten ist (DWA, 2009). Deutlich wird aber auch, dass Reparaturverfahren auf dem Vormarsch sind. Mehr als 36 % aller Sanierungsverfahren wurden 2009 mit Ausbesserungs-, Injektions- oder Abdichtungsverfahren ausgeführt, wie die Umfrage belegt.

Nachhaltige Sanierungsplanung

Auch in der Hansestadt Hamburg sind Reparaturverfahren Bestandteil einer nachhaltigen Sanierungsplanung, zu deren Aufgaben die Planung und Durchführung von Kanaluntersuchungen ebenso zählt wie die Beurteilung und Klassifizierung der Schäden und die Erstellung von entsprechenden Sanierungskonzepten: Das berichtete Dipl.-Ing. Simone Lüthje von der Hamburger Stadtentwässerung AöR. Bei der Auswahl des geeigneten Verfahrens spielen Parameter wie Werterhalt, Dichtheit, Standsicherheit und Betriebssicherheit eine wichtige Rolle. Da eine sogenannte Feuerwehrstrategie unter diesen Gesichtspunkten eher unzureichende Ergebnisse liefert, setzt man in Hamburg auf Prävention und Werterhaltung, mit denen sich unter anderem eine Verbesserung der hydraulischen Leistungsfähigkeit und eine Sicherstellung der Schutzziele, aber auch eine Minimierung des betrieblichen Aufwands erzielen lassen. Folgerichtig werden Schadensbilder am Hamburger Entwässerungssystem ausgewertet und es wird je nach Entscheidung erneuert, renoviert oder repariert; letzteres rund 100-mal in 2013.

Generationswechsel hat stattgefunden

Doch was sind eigentlich die Anforderungen, die an eine Reparatur gestellt werden? Anworten auf diese Frage gab Dipl.-Ing. Markus Maletz, TÜV Rheinland Industrie Service GmbH, Nürnberg, in seinem Vortrag über den aktuellen Stand von Normung und Regelwerk. Für Maletz sind die Zeiten, in denen Gele und Harze unkontrolliert in das umgebende Erdreich injiziert wurden, vorbei. "Es hat ein Generationswechsel stattgefunden, etwa bei der Entwicklung von präzise arbeitenden Robotern oder dem Einsatz von Kurzlinern. Auch im Regelwerk hat sich einiges getan", so der Redner, der neben der DIN EN 752:2008-04, Entwässerungssysteme außerhalb von Gebäuden, April 2008, und der DIN EN 15885:2011-03, Klassifizierung und Eigenschaften von Techniken für die Renovierung und Reparatur von Abwasserkanälen und -leitungen, März 2011, auf diverse Arbeits- und Merkblattreihen der DWA Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V., die Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen (ZTVen) des VSB sowie weitere Merkblätter und Informationen vom RSV Rohrleitungssanierungsverband e.V. und der Deutschen Gesellschaft für grabenloses Bauen und Instandhalten von Leitungen e.V. (GSTT) verwies.

"Hierin werden zwar die verschiedenen Verfahren unterschieden und die Eigenschaften der Technik festgelegt, ausreichend ist das aber nicht", so Maletz, der in diesem Zusammenhang über die Arbeit im Normenausschuss Wasserwesen (NAW) berichtete. Bereits 2013 hatte der VSB mit Unterstützung von Techniksystemherstellern, Materialherstellern, Anwendern, Verbänden, Prüfinstituten und Kommunen einen Normungsantrag zur "Reparatur von Abwasserkanälen und -leitungen" gestellt, in dem Prüfverfahren und Anwendungsbereiche ebenso definiert werden sollen wie Werte und Qualität. Von dem Ergebnis erhoffen sich die Beteiligten sicherere vertragliche Grundlagen, nicht zuletzt aber auch eine Aufwertung der Techniken.

Vergleich schwierig

Festzustellen bleibt: Bei der Auswahl eines Reparaturverfahrens tun sich Netzbetreiber und Planer nach wie vor schwer. Einerseits ist technischer Sachverstand gefragt, andererseits gilt es Entscheidungen unter wirtschaftlichen Aspekten zu treffen. Wege zur Vergleichbarkeit unterschiedlicher Verfahren und Verfahrensgruppen zeigte Prof. Dr.-Ing. F. Wolfgang Günthert, Universität der Bundeswehr München, auf. Laut Günthert ist die Festlegung des Zeitraums, in dem die Nutzung eines Wirtschaftsgutes ohne außergewöhnliche Instandhaltung möglich ist, äußerst schwer. "Und das trotz entsprechender Anhaltspunkte durch KVR-Leitlinien", so Günthert. Eine vielversprechende Arbeitsgrundlage in Form einer Bewertungsmatrix erarbeitet zur Zeit der Fachausschuss Risikobewertung im VSB. "Das Ziel besteht darin, die tatsächliche Wertschöpfung transparent und allgemeingültig zu gestalten, um Planungs- und Finanzierungsentscheidungen für öffentliche und private Auftraggeber abzusichern", erläuterte Günthert.

Dauerthema Zulaufanbindungen

Dass der Teufel sprichwörtlich oft im Detail steckt, wurde im Vortragsblock über Anwendung und Einsatzgrenzen von Verfahren und Materialien anschaulich erläutert. Etwa in den Beiträgen von Dipl.-Ing. Andreas Haacker, Siebert + Knipschild GmbH, Oststeinbek, der über "Kunstharze in der Kanalreparatur" sprach, oder beim Vortrag von Dipl.-Ing Roland Wacker, Ingenieurbüro Wacker, Auenwald, der sich des Dauerthemas "Reparatur von Zulaufanbindungen" annahm. Beide Referenten waren sich darin einig, dass der Qualität der Ausführung für den Erfolg einer Reparaturmaßnahme eine entscheidende Rolle zukommt. Der Auftraggeber muss hier Verantwortung übernehmen, aber gleichzeitig dafür sorgen, dass die Unternehmen auskömmlich arbeiten können.

Reparatur oder Renovierung?

Bevor es an die Ausführung geht, sind allerdings einige Fragen zu beantworten, wie Dipl.-Ing. Beate Borchardt, S & P Consult GmbH, Bochum, anhand von Sanierungskonzepten für begehbare Kanäle erläuterte. Soll der Kanal zwischenzeitlich für einen geplanten Neubau repariert werden oder wird mittels Reparatur eine ganzheitliche Sanierung angestrebt? "Zur Beantwortung dieser Fragen ist unbedingt ein statischer Nachweis zu führen", so Borchardt. Ist die Standsicherheit gegeben, dann versprechen Reparaturen Erfolg, wobei sich je nach Projekt und Anzahl der durchgeführten Maßnahmen durchaus die Frage ableiten lasse, ob über ganze Haltungen eingesetzte Reparaturverfahren nicht doch als Renovierungen einzustufen sind. Dass die Beantwortung dieser Frage nicht einfach ist, machten weitere Praxisbeispiele deutlich. Etwa der Bericht über Reparaturarbeiten am Erftstollen im heutigen Naturpark Kottenforst-Ville. Laut Dipl.-Ing. Ralf Puderbach, Franz Fischer Ingenieurbüro, Erftstadt, bewegte sich die Großprofilreparatur in einem schwer zugänglichen und unter Bergsenkungseinfluss stehenden Bereich während Planungs- und Ausführungsphase stets an der Grenze des Machbaren.

Tickende Zeitbombe

Nach Aussage von Puderbach ist die Baumaßnahme allerdings mängelfrei abgenommen worden. Dass das nicht immer so ist, davon wissen viele Auftraggeber und ausführende Unternehmen ein Lied zu singen. Einen Blick hinter die Kulissen des Spannungsfeldes Abnahmekriterien und Mängelbeseitigung warf Dipl.-Ing. (FH) Markus Vogel, Vogel Ingenieure, Kappelrodeck mit der Frage "Was ist ein Mangel und was nicht?". Vogel weiß aus Erfahrung, dass immer dann, wenn etwas nicht sauber formuliert ist, Streitigkeiten vorprogrammiert sind. "In einem konkreten Vertrag sind im besten Falle die Leistungsanforderungen definiert", erklärte Vogel. Idealerweise sind auch die Modalitäten zur Abnahme explizit fixiert und ggf. Spielregeln bei Leistungsdefiziten definiert. Hieraus lässt sich dann im Bedarfsfall ableiten, dass der, der anders leistet als geschuldet, haften muss.

"Entscheidend für die Beurteilung von mangelfreiem Werk im Sinne von Werkvertragsrecht ist dabei die Funktionstauglichkeit des sanierten Kanals", so Vogel weiter. Hierbei gelte es allerdings zu beachten, dass ein optischer Eindruck nur dann einen wesentlichen Aspekt darstellen könne, wenn alle anderen Faktoren stimmen. Alles andere sei Augenwischerei oder eine tickende Zeitbombe, machte der Redner unmissverständlich klar, der in diesem Zusammenhang Bequemlichkeit und Kostendruck als Ursache allen Übels anprangerte. Dass eine wirtschaftliche Sanierung allerdings nur durch eine intensive und sachgerechte Planung erreicht werden kann, hierüber herrscht in Fachkreisen Konsens. Verdrängt wird dagegen oft, dass eine qualifizierte Sanierungsplanung auch Geld kostet. An dieser Stelle soll die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) den Architekten und Ingenieuren ein auskömmliches Honorar und den Bauherren die Qualität der Bauplanung, Ausschreibung, Vergabe und der Objektüberwachung sichern. Wie das im Falle von Reparaturverfahren funktionieren kann, die in der HOAI grundsätzlich als Instandsetzungen behandelt werden, verdeutlichte Dipl.-Ing. Peter Kalte von der Gütestelle Honorar- und Vergaberecht in Mannheim, der die Honorierungsempfehlungen des VSB auf Basis der HOAI 2013 vorstellte.

Was geht und was nicht?

Nach der abschließenden Podiumsdiskussion, in der die Frage diskutiert wurde, wie lange eine Reparatur wirklich halten muss, fasste Dipl.-Ing. Michael Hippe, Vorsitzender des Vorstands des Verbandes Zertifizierter Sanierungsberater für Entwässerungssysteme e. V. (VSB), in seinem Schlusswort die interessantesten Fragestellungen des Tages noch einmal zusammen. "Vorträge und Gespräche auf der Veranstaltung in Hannover haben gezeigt, dass Reparaturverfahren mittlerweile in vielen Kommunen zum festen Bestandteil der strategischen Planung gehören", so Hippe. Dazu beigetragen habe die stete Weiterentwicklung von Verfahren und Techniken, aber auch von Normen und Regelwerk. In diesem Sinne hat Hannover gezeigt, dass es viel Neues gibt, aber auch, worauf man bei Planung, Bauüberwachung und Ausführung achten muss. "In den letzten Jahren haben hier alle Beteiligten an einem Strang gezogen", so die Bilanz von Hippe, der in diesem Zusammenhang den Stellenwert der Diskussionsplattform Reparaturtag noch einmal hervorhob.

Kontakt

Verband Zertifizierter Sanierungsberater für Entwässerungssysteme e. V. (VSB)

Dr.-Ing. Igor Borovsky

Wöhlerstraße 42

3010 Hannover

Deutschland

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+49 (0)511 84869955

Fax:

+49 (0)511 84869954

E-Mail:

borovsky@sanierungs-berater.de

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