Das Recht des VOB-Vertrages - Teil 10/18: Haftpflichtbestimmungen
26.09.2005
Im zehnten Teil der VOB-Reihe geht es um den Paragraphen 10 VOB/B. Er regelt den Schadensausgleich zwischen den Vertragsparteien. Während es im Rahmen der beschriebenen Gefahrtragung nach § 7 VOB/B darum ging, wer von den Baubeteiligten die wirtschaftlichen Folgen eines Schadensereignisses zu tragen hat, das von keinem der Vertragspartner zu vertreten ist, haben die Bestimmungen des § 10 VOB/B verschuldete Schadensereignisse im Blick.
- vertraglichen Haftung
- außervertraglichen Haftung.
I. Die Vertragsparteien haften einander
Die Vertragsparteien haften sich gegeneinander für die konkreten Schäden, die kausal aus von ihnen verschuldeten oder ihnen zurechenbaren Pflichtverletzungen entstehen. Im Einzelnen:
a) Vertragliche Pflichten
Die haftungsrelevanten Rechte und Pflichten ergeben sich vor allem aus dem Vertrag, regelmäßig bestehend aus:
- dem Vertragstext/ Verhandlungsprotokoll nebst Leistungsverzeichnis bzw. Leistungsbeschreibung/ Leistungsprogramm
- den Allgemeinen Vertragsbedingungen
- den Besonderen Vertragsbedingungen
- den zusätzlichen Vertragsbedingungen.
werden:
aa) Pflichten des Auftragnehmers
- Der Auftragnehmer hat die Pflicht, mit dem Eigentum des Auftraggebers, das im Rahmen der Bauleistung der Einwirkung seiner Arbeiten ausgesetzt ist, pfleglich umzugehen und eine Beschädigung dieses Eigentums zu unterlassen (BGH, VersR 1964, 238; BGH, VersR 1966, 1157; BGH, VersR 1969, 827; BGH, MdR 1975, 375; BGH, LM § 631 BGB Nr. 15; BGH, VersR 1982, 1196 = NJW 1983, 113).
- Er muss bereits ganz oder teilweise erstellte Leistungen anderer, an demselben Bauwerk tätiger Unternehmer pfleglich behandeln und schützen (vgl. hierzu bereits Teil 4 zu § 4 Nr. 5 VOB/B). Bei Pflichtverletzungen macht er sich schadensersatzpflichtig.
- Er muss die persönliche Unversehrtheit des Auftraggebers schützen, dieses unter Berücksichtigung der besonderen Umstände sowie der Verhältnisse an der Baustelle, einschließlich der Sicherung von Baumaßnahmen (OLG Nürnberg VersR 1979, 748 sowie OLG Karlsruhe VersR 1985, 297).
- Der Auftraggeber muss alles ihm Zumutbare und ihm Mögliche unternehmen, um den Auftragnehmer bei der Erfüllung seiner Vertragspflichten vor Schaden zu bewahren (vgl. grundlegend BGH, VersR 1959, 948), zumal bei besonderen Gefahrenquellen oder gefahrerhöhenden Umständen. Bei Pflichtverletzung macht sich der Auftraggeber schadenersatzpflichtig (vgl. BGH, VersR 1959, 948).
- Er hat eine Fürsorge- und Obhutspflicht hinsichtlich der vom Auftragnehmer auf der Baustelle eingesetzten Personen sowie von ihm dort verwendeter Sachen (z.B. Maschinen, KfZ, etc, vgl. BGH, BauR 1975, 64 = VersR 1975, 41 = SFH Z 2.210 Bl. 14 sowie OLG Celle VersR 1977, 671). Bei der Verletzung macht er sich schadensersatzpflichtig.
Neben den vorbeschriebenen vertraglichen haftungsrelevanten Rechten und Pflichten ist noch das sogenannte "Jedermannsrecht" auch von den Vertragsparteien zu beachten. Insofern sind die Rechtsnormen angesprochen, die selbst dann zwischen den Parteien gelten, hätten diese keinen Vertrag miteinander geschlossen.
Als wichtiges Beispiel sind die Fälle der Haftung wegen unerlaubter Handlung nach § 823 BGB zu benennen. Demnach macht sich derjenige schadensersatzpflichtig, der vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder sonstige (absolute) Rechte eines anderen widerrechtlich verletzt.
Zu diesen weiteren absoluten Rechten zählt die Rechtsprechung z. B. dingliche Rechte (also etwa Hypotheken, Grundschulden, grundrechtlich gesicherte Dienstbarkeiten, Nießbräuche etc.), Besitzrechte, Namensrechte aber auch Immaterialgüterrechte wie etwa das Urheberrecht und sogar Familienrecht (genannt sei die Kuriosität des Ehebruches, die im Werkvertragsrecht eher keine Rolle spielen dürfte), Rechte am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, Rechte am Arbeitsplatz, die allgemeine Handlungsfreiheit sowie Persönlichkeitsrechte.
Der § 10 Nr. 1 VOB/B bestimmt, dass die Parteien einander für eigenes Verschulden, also für Pflichtverletzung bei Vorsatz und Fahrlässigkeit, haften, vgl. § 276 BGB.
a) Fahrlässigkeit
Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außeracht lässt, § 276 Abs. 2 BGB. Die Rechtsprechung differenziert zwischen sog. bewusster Fahrlässigkeit und unbewusster Fahrlässigkeit. Bewusste Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Handelnde mit dem möglichen Eintritt des schädlichen Erfolges rechnet aber darauf vertraut, der Schaden werde nicht eintreten. Bei unbewusster Fahrlässigkeit hat der Handelnde den möglichen Eintritt des schädlichen Erfolges nicht erkannt, hätte ihn aber bei gehöriger Sorgfalt voraussehen und verhindern können. Weiter differenziert die Rechtsprechung zwischen unterschiedlichen Graden der Fahrlässigkeit. Danach liegt grobe Fahrlässigkeit vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt worden ist (BGHZ 10, 16; 89, 161; BGH, NJW 92, 3236; BGH, NJW-RR 02, 1108). Hingegen liegt nur einfache (leichte, gewöhnliche) Fahrlässigkeit vor, wenn die zuvor definierten, besonderen Merkmale grober Fahrlässigkeit nicht erfüllt sind (zum Sorgfaltsmaßstab der einfachen Fahrlässigkeit BGHZ 39, 283; BGHZ 80, 193; BGHZ 103, 323/330; BGH, NJW 88, 909; BGH, NJW 2000, 2812).
b) Vorsatz
Vorsätzlich handelt, wer wissentlich und wollentlich den Tatbestand verwirklicht (so bereits Reichsgericht (RG) 70, 258). Die Rechtsprechung unterscheidet zwischen direktem Vorsatz und bedingtem Vorsatz. Der direkte Vorsatz umfasst die Absicht sowie das Wissen der Tatbestandsverwirklichung. Bei bedingtem Vorsatz hält der Handelnde die Tatbestandsverwirklichung für möglich und nimmt sie billigend in Kauf (BGHSt 9, 147; KG NJW 57, 882; RGZ 32, 303; RGZ 55, 205; BGHSt 36, 10; BGH, VRS 59, 183).
Nach § 10 Nr. 1 VOB/B haften die Vertragsparteien einander nicht nur für eigenes Verschulden, sondern auch für das Verschulden ihrer gesetzlichen Vertreter und der Personen, derer sie sich zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeit bedienen, vgl. § 278 BGB.
a) Gesetzlicher Vertreter
Gesetzliche Vertreter sind Eltern für ihre Kinder, gesetzliche Betreuer, Pfleger oder Beistände und alle sonstigen Personen, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften mit Wirkung für andere handeln können (vgl. BGH, NJW 58. 670), also z. B. Testamentsvollstrecker (RGZ 144, 402; BGH, LM § 823 Ad) Nr. 1), Nachlaßverwalter, Insolvenzverwalter, Zwangsverwalter und Treuhänder (vgl. BGH, NJW 58, 670); ebenso ein Ehegatte, der aufgrund der sog. Schlüsselgewalt ein Geschäft zur Deckung des Lebensbedarfes abschließt, sowie der Ehegatte, der bei Verwaltung des Gesamtgutes mit Wirkung für den Ehepartner handelt.
b) Vertraglicher Erfüllungsgehilfe
Erfüllungsgehilfe ist, wer nach den tatsächlichen Gegebenheiten des Falles mit dem Willen des Schuldners bei der Erfüllung einer diesem obliegenden Verbindlichkeit als seine Hilfsperson tätig wird (vgl. BGHZ 13, 113; BGHZ 50, 35; BGHZ 62, 124; BGHZ 98, 334). Anders als der Verrichtungsgehilfe im Rahmen der deliktischen Haftung nach § 831 BGB ist er jedoch nicht weisungsabhängig im Geschäftsbereich des Schuldners tätig. Gemeint ist namentlich nicht der Arbeitnehmer oder die arbeitnehmerähnliche Person, sondern der Freiberufler, also alle Sonderfachmänner wie freie Ingenieure, Architekten oder der externe Bauleiter, die mit Wissen und Wollen des Schuldners in dessen Pflichtenkreis als Hilfspersonen tätig sind, ohne dem Weisungsrecht des
Schuldners zu unterliegen.
Die Art der zwischen der jeweiligen Vertragspartei und dem Erfüllungsgehilfen bestehenden rechtlichen Beziehung ist gleichgültig. Sie kann auch öffentlich-rechtlich gestaltet sein oder in einer tatsächlichen Zusammenarbeit bestehen (vgl. BGHZ 13, 113; BGHZ 50, 35; BGHZ 62, 124; BGH, NJW 84, 1748; BGH, NJW 85, 915).
Haften sich die Parteien einander, stellt sich einerseits die Frage, wie ein gegenseitiges Mitverschulden nach § 254 BGB zu beurteilen ist und andererseits die Frage, was gilt, sind mehr als zwei Vertragsparteien zu berücksichtigen.
a) Mitverschulden
Kann der Schädiger darlegen und beweisen, dass bei der Entstehung des Schadens auch ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt hat, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwiefern der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
Außerdem bleibt es dem Schädiger unbenommen, darzulegen und zu beweisen, dass ein Beschädigter es unterließ, den Schädiger auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen oder dass der Beschädigte es unterließ, den Schaden abzuwenden oder zu mindern, § 254 Abs. 1 und 2 BGB.
Am Bau ist regelmäßig zu beachten, dass ein Auftraggeber mehrere Bauunternehmer und oft auch zusätzliche Sonderfachleute, wie den bauplanenden und bauüberwachenden Architekten binden wird. Das Standardbeispiel ist dann, dass etwa eine fehlerhafte Bauüberwachung genauso schadensverursachend ist, wie die Baudurchführung. Hier würde sowohl der bauüberwachende Architekt, als auch die bauausführende Firma dem Auftraggeber i. S. d. § 10 Nr. 1 VOB/B für eigenes Verschulden haften. Der bauausführenden Firma bliebe es unbenommen, gegenüber dem Auftraggeber anzuführen, dass der Architekt letztendlich als Sonderfachmann Erfüllungsgehilfe des Auftraggebers war, so dass sich der Auftraggeber dessen Mitverschulden über § 278 BGB (Zurechnung des Erfüllungsgehilfen) vorhalten lassen muss.
Regelt § 10 Nr. 1 VOB/B die Schadensersatzansprüche der Vertragsparteien gegeneinander, bezieht sich § 10 Nr. 2 VOB/B ausschließlich auf die Frage, wer von den Vertragsparteien im Innenverhältnis einem Dritten, am Baugeschehen gar nicht beteiligten und somit vertraglich nicht gebundenen haftet. Angesprochen sind also Fälle, in denen ein Dritter z. B. einen Pkw auf einen nicht abgesperrten Parkplatz stellt und im Zusammenhang mit Bauarbeiten dieser Pkw z. B. durch herunterfallende Materialien beschädigt wird. Dabei bestimmt § 10 Nr. 2 VOB/B nicht, welche Ansprüche der Dritte hat, sondern nur, wie die Vertragsparteien gegeneinander diesen vom Dritten tatsächlich mit Erfolg geltend gemachten Schaden gegeneinander ausgleichen sollen. Hierzu wie folgt:
§ 10 Nr. 2 bis Nr. 4 VOB/B bestimmt den Haftungsausgleich der Vertragsparteien im Innenverhältnis, kommen Dritte zu Schaden. Voraussetzung ist, dass dem Dritten ein Schaden entstanden ist, für den beide Vertragsparteien haften, z. B:
a) weil die Vertragsparteien vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht dieses Dritten widerrechtlich verletzten, § 823 Abs. 1 BGB;
- das Verbot des Herstellens oder Haltens gefahrdrohender Anlagen, § 907 BGB;
- das Verbot der unzulässigen Vertiefung von Grundstücken, § 909 BGB;
- das Verbot der Eigentums- insbesondere Grundstücksbeeinträchtigung, § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB, sowie
- Verbote aus weiteren Gesetzen, vorausgesetzt, dass gegen geschützte Einzelinteressen verstoßen wurde (vgl. BGH, MdR 1975, 130; BGH, NJW 1976, 1740 = BauR 1977, 66), z.B. das Verbot der Luftverunreinigung bei dem Betrieb einer Baustelle,§ 325 StGB, oder die dem Schutz des Nachbarn dienenden Bauordnungen der Bundesländer,
- Im Straßen- oder sonstigen Tiefbau ist der Auftragnehmer bei außergewöhnlichen Gefahren nicht nur verpflichtet, die Baustelle abzusperren und zu kennzeichnen (vgl. etwa OLG Köln VersR 1966, 834), sondern auch zu besonderen Maßnahmen, wie ständiger Bewachung (vgl. KG VerkMitt 1972, 43);
- Im Zuge von Straßenbauarbeiten angebrachte Fahrbahnmarkierungen sind im Falle ihrer Aufhebung so deutlich und nachhaltig zu entfernen, dass dies für einen sorgfältigen und nicht völlig unerfahrenen Verkehrsteilnehmer durch einen raschen, beiläufigen Blick unzweifelhaft erkennbar ist (vgl. OLG Düsseldorf VersR 1981, 960);
- Werden auf der Fahrbahnmitte einer Landstraße Asphaltarbeiten ausgeführt (hier: Vergießen der Mittelnaht mit Teer), so genügt das bloße Aufstellen eines Leitkegels auf der weißen Mittellinie nicht, um die Baustelle ausreichend zu sichern (vgl. OLG Oldenburg VersR 1993, 333);
§ 10 Nr. 2 Abs. 1 Satz 1 VOB/B knüpft an eine Konstellation an, in der die
Vertragsparteien dem Dritten gesamtschuldnerisch haften. Er räumt den
Vertragsparteien ein, ihren internen Ausgleich zu vereinbaren. Soweit es eine solche Einzelfallvereinbarung nicht gibt, ist dort geregelt, dass die Parteien nach den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen, also namentlich §§ 840 und 426 BGB, sich auszugleichen haben.
Nach § 426 BGB gilt dann der Grundsatz, dass sich die Vertragsparteien im Innenverhältnis zu gleichen Anteilen verpflichtet sind. Gibt es mehr als zwei gesamtschuldnerisch Haftende, etwa dahingehend, dass der Auftraggeber, der Bauunternehmer und der Architekt dem Dritten gesamtschuldnerisch haften, gilt nach § 426 BGB, dass jeder von ihnen 1/3 zu tragen hat etc. Abweichendes in diesem Sinne kann entweder vertraglich vereinbart, § 426 Abs. 1 S. 1 BGB, oder – wegen feststellbarer anteiliger Haftung - gesetzlich bestimmt sein. Zu diesen Abweichung vom anteiligen Haftungsausgleich im Einzelnen:
dieser Hinsicht klar, scheidet sogar eine gesamtschuldnerische Haftung aus. Nach der Rechtsprechung verhielte sich nämlich der Dritte rechtsmissbräuchlich, der eine Partei in Anspruch nimmt, die letztendlich im Innenverhältnis nicht ausgleichspflichtig wäre (vgl. BGH, WM 84, 906).
- die Haftung des Grundstücksbesitzers, des Gebäudebesitzers sowie Gebäudeunterhaltungspflichtigen, §§ 836 ff. BGB;
- die Haftung des Tierhalters oder Tieraufsehers §§ 833 ff. BGB oder
- die Haftung nach Straßenverkehrsgesetz, Haftpflichtgesetz, Luftverkehrsgesetz, Produkthaftungsgesetz.
- wegen unbefugten Betretens oder Beschädigung angrenzender Grundstücke;
- wegen Entnahme oder Auflagerung von Boden oder anderen Gegenständen außerhalb der vom Auftraggeber dazu angewiesenen Flächen, oder
- wegen der Folgen eigenmächtiger Versperrung von Wegen oder Wasserläufen.
- bei unzulässigen Geräuschimmissionen durch den Betrieb von technischem Gerät etc. (BGH, Betrieb 1958, 1039 = SFH Z 4.141 Bl. 24 = VersR 1958, 481);
- bei Erschütterungsschäden wegen Einrammens von Spundwänden (OLGR Celle 1995, 244);
- bei Erschütterungsschäden wegen Straßenbauarbeiten und Einsatzes einer Vibrationswalze (OLG Hamm, BauR 1991, 632 = NJW-RR 1991, 601);
- bei Kürzen eines Baumes durch den Mitarbeiter einer Baufirma auf dem Nachbargrundstück, weil dieser Baum die Spitze eines auf dem Nachbargrundstück stehenden Kranauslegers bzw. dessen Drehbewegung behindert (LG Detmold VersR 1982, 253).
Gleichermaßen trägt der Auftraggeber den Schaden allein, wenn er in anderer grob fahrlässiger oder vorsätzlicher Weise den Schaden auch allein verursacht hat, § 242 BGB.
Denn es entspricht den allgemeinen Gepflogenheiten im Baugewerbe, dass ein Auftragnehmer eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen hat. Er kalkuliert die Haftpflichtversicherung regelmäßig in seinen Angebotspreisen. Deshalb ist es billig und zumutbar, den Schadensausgleich dann auf den Auftragnehmer und dessen Haftpflicht
abzuwälzen (vgl. BGH, MDR 1962, 283).
Hat der Auftraggeber den Schaden hingegen grob fahrlässig oder vorsätzlich verursacht (grobes Verschulden), wird der Schaden trotz Versicherung nicht auf den Auftragnehmer abzuwälzen sein. Denn für diesen Fall greift die speziellere Regelung des Innenausgleichs, wie auch in § 10 Nr. 2 Abs. 1 S. 2 VOB/B benannt: Bei grobem Verschulden haftet auch im Innenverhältnis diejenige Partei, die den Schaden verursacht hat.
In entsprechender Anwendung des § 61 VVG würde auch die Versicherung des Auftragnehmers die Schadensregulierung bei grobem Verschulden des Auftraggebers ablehnen: Denn die Versicherung ist bei grob fahrlässiger oder vorsätzlicher Schadensherbeiführung durch den Versicherungsnehmer (Auftragnehmer) von der Verpflichtung zur Leistung frei. Das gilt erst recht dann, wenn sie aufgrund groben Verschuldens eines Dritten – des Auftraggebers – haften soll. Ist diese Bestimmung nicht bereits wegen unangemessener Benachteiligung des Auftragnehmers unwirksam, § 309 Nr. 7 BGB, so wäre sie jedenfalls ein unwirksamer Vertrag zulasten Dritter, der Versicherung (vgl. BGHZ 54, 247; BGHZ 61, 361; BGHZ 78, 374).
Auch haftet er, wenn zwar der Auftraggeber die Verwendung vorgeschrieben hat, jedoch auf das Schutzrecht hinwies. Nach der Wertung der VOB/B hätte dann der Auftragnehmer Bedenken anzeigen müssen, vgl. § 4 Nr. 3, § 4 Nr. 1 Abs. 4 VOB/B. Unterlässt er Bedenkenanzeige, so ist er wegen dieses pflichtwidrigen Verhaltens im Innenverhältnis allein schadenersatzpflichtig.
Gewerbliches Schutzrecht in diesem Sinne ist insbesondere das Urheberrechtsgesetz, das Patentgesetz, das Gebrauchsmustergesetz, das Geschmacksmustergesetz sowie das Markengesetz.
a) Wird eine Vertragspartei von dem Dritten für einen Schaden in Anspruch genommen, obwohl sie selbst im Innenverhältnis haftungsbefreit ist, kann sie von der anderen Vertragspartei Befreiung von der Verbindlichkeit verlangen, vgl. § 257 BGB. Außerdem kann sie verlangen, die Ansprüche des Dritten abzuwehren (vgl. BGH, NJW 1970, 1594).
Weigert sich die andere Vertragspartei, den in Anspruch Genommenen freizustellen, hat dieser nach Zahlung einen Schadenersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung gegen die im Innenverhältnis allein haftende Partei (vgl. BGH, NJW 1970, 1594).
Wird eine vom anteiligen Innenausgleich abweichende Vereinbarung getroffen, sind Wirksamkeitsgrenzen wegen unangemessener Benachteiligung des Adressaten zu berücksichtigen. Unwirksam ist eine Vertragsbedingung, mit der der Auftraggeber auch solche Risiken auf den Auftragnehmer abwälzen möchte, die bei ordnungsgemäßer Ausführung der Arbeiten zwangsläufig entstehen und die für den Auftragnehmer unvermeidbar sind (vgl. BGH, BauR 1972, 116 = NJW 1972, 256). Auch kann der Innenausgleich bei Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit bei eigenem Vorsatz oder grobem Verschuldensanteil nicht ausgeschlossen werden (vgl. § 309 Nr. 7 BGB).
Einen Überblick kann man sich in dem Nachschlagwerk Diehr/Knipper, Wirksame und unwirksame Klauseln im VOB-Vertrag, Vieweg 2003, verschaffen.
Mehr Informationen unter www.tis-online.info
Autor:
Dr. Uwe Diehr
Rechtsanwalt
Leinen & Derichs Anwaltsozietät
Kurfürstenstr. 31
14467 Potsdam
Tel.: 0331/28999-0
Fax: 0331/28999-14
Mail: uwe.diehr@leinen-derichs.de
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