Das Recht des VOB-Vertrages - Teil 12/18: Die Abnahme der Bauleistung
19.10.2005
Der Paragraph 12 VOB/B befasst sich mit der Abnahme der fertiggestellten Bauleistung. Im Vergleich zur Abnahme nach BGB (§ 640 BGB) weist § 12 VOB/B Besonderheiten auf, die als vertragliche Vereinbarungen den gesetzlichen Regelungen vorgehen. Die Abnahme hat wegen ihren Wirkungen auf die rechtlichen Beziehungen zwischen Auftraggeber und -nehmer erhebliche Bedeutung, weswegen ihr besondere Aufmerksamkeit zu schenken ist.
Abnahme ist die körperliche Entgegennahme des Werkes durch den Auftraggeber, verbunden mit dessen Erklärung, dass er die Bauleistung als im Wesentlichen vertragsgemäß anerkennt (vgl. BGH, NJW 1993, 1972 ff.).
Keine Abnahme ist hingegen:
- die technische Zustandsfeststellung (§ 4 Nr. 10 VOB/B),
- das gemeinsame Aufmaß,
- der Prüfvermerk des Bauherrn oder seines Architekten unter der Schlussrechnung,
- die Bauabnahme nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften (z.B. Abnahme durch den TÜV) oder etwa
- die Durchgriffsfälligkeit nach § 641 Abs. 2 BGB (vgl. aber Thüringer O-LG, Entscheidung vom 17.06.1998, 2 U 997/97 und Anmerkung von Horschitz, IBR 1998, 520: Wenn ein Subunternehmervertrag hinsichtlich des vom Subunternehmer zu erbringenden Gewerks identisch ist mit dem Werkvertrag des Hauptunternehmers, wirkt eine vom Hauptauftraggeber durchgeführte Abnahme auch im Verhältnis des Hauptunternehmers zum Subunternehmer).
a) Beweislastumkehr
Der Auftragnehmer hat nach der Abnahme nicht mehr zu beweisen, dass seine Leistung mangelfrei ist, sondern der Auftraggeber trägt nunmehr die Beweislast dafür, dass ein mangelhaftes Werk vorliegt (BGH, NJW-RR 1997, 339 f.).
b) Beginn der Gewährleistung
Nach der Abnahme stehen dem Auftraggeber die Mängelansprüche gem. § 13 Nr. 5-7 VOB/B zu, die innerhalb der Verjährungsfrist des § 13 Nr. 4 VOB/B geltend zu machen sind. Der Auftraggeber muss sich allerdings die Geltendmachung von Gewährleistungsrechten für die Probleme vorbehalten, die er kennt (§ 12 Nr. 4 Abs. 1 S. 4 und Nr. 5 Abs. 3 VOB/B, die auf § 640 Abs. 2 BGB abstellen). Kennenmüssen steht dem nicht gleich. Der Auftraggeber hat das Bauwerk nicht eingehend zu untersuchen, um den Rechtsverlust zu vermeiden, da eine entsprechende Prüfungspflicht grundsätzlich nicht besteht (BGH NJW-RR 1992, 626-627).
Der Vorbehalt muss zum Zeitpunkt der Abnahme erklärt werden. Ein späterer Vorbehalt reicht ebenso wie ein vor der Abnahme erklärter Vorbehalt nicht aus. Allerdings genügt bei Gewährleistungsrechten ausnahmsweise der Vorbehalt vor Abnahme, wenn er in unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit den Abnahmehandlungen steht und der Auftragnehmer damit rechnen muss, dass die kurz zuvor geäußerte Mängelrüge aufrecht erhalten bleibt (BGH, NJW 1975, 1701 ff.) oder weil etwa noch eine nach § 4 Nr. 7 VOB/B gesetzte Frist läuft.
Ein entsprechender Vorbehalt ist nicht zu erklären, wenn im Zeitpunkt der Abnahme wegen des betreffenden Mangels bereits auf Mangelbeseitigung geklagt wird (vgl. Jagenburg, NJW 1974, 2264 ff.) oder ein gerichtliches Beweisverfahren läuft (OLG Köln, BauR 1983, 463 ff.).
Die Erklärung eines Vorbehalts bedarf keiner Form (Ausnahme: § 12 Nr. 4 Abs. 1 S. 3 VOB/B) und kann z. B. auch mündlich ausgesprochen werden. Zur Beweissicherung empfiehlt es sich aber, den Vorbehalt im Abnahmeprotokoll aufzunehmen oder eine entsprechende schriftliche Erklärung gegenüber dem Auftragnehmer abzugeben und jeweils den rechtzeitigen Zugang der Erklärung nachzuweisen.
Wird ein Vorbehalt erklärt, verbleibt es dabei, dass der Auftragnehmer eine vertragsgerechte Leistung im Einzelnen darzulegen und zu beweisen hat (Brandenburgisches OLG, BauR 2003, 1054 ff.).
Mit der Abnahme geht die Gefahr auf den Auftraggeber über (§ 12 Nr. 6 VOB/B), soweit er sie nicht schon nach § 7 VOB/B (vgl. Teil 7) trägt. Der Auftraggeber hat also die Bauleistung auch zu vergüten, wenn sie nach Abnahme zufällig beschädigt oder völlig zerstört wird.
Außerdem entfällt mit der Abnahme die dem Auftragnehmer nach § 4 Nr. 5 VOB/B obliegende Schutzpflicht (vgl. Teil 4).
d) Fälligkeit der Vergütung
Neben dem Erfordernis einer prüffähigen Schlussrechnung (§ 16 Nr. 3 VOB/B) ist die Abnahme Voraussetzung für die Fälligkeit der Restwerklohnvergütung (BGH, BauR 1981, 201 ff.). Sofern also zum Zeitpunkt der Abnahme noch nicht schlussgerechnet ist, ist der Auftraggeber auch noch nicht zur Schlusszahlung verpflichtet. Ist hingegen zum Zeitpunkt des Zugangs der Schlussrechnung eine Abnahme vollzogen, ist die Schlusszahlung alsbald nach Prüfung und Feststellung der Rechnung, jedoch spätestens innerhalb von zwei Monaten nach Rechnungszugang fällig (§ 16 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B).
Bis zur Vollendung des Bauwerks kann der Auftraggeber den Vertrag jederzeit kündigen (§ 8 Nr. 1 VOB/B, vgl. Teil 8). Dieses Recht scheidet nach der Abnahme aus, da sie die Vollendung bzw. Fertigstellung des Werkes voraussetzt. Entsprechendes gilt für die Kündigung wegen Zahlungseinstellung oder wegen Antrags eines Insolvenzverfahrens (§ 8 Nr. 2 Abs. 1 VOB/B), da bei Abnahme die Fertigstellung des Bauwerkes nicht mehr in Gefahr ist sowie aus gleichem Grund wegen Nichteinhaltung einer vom Auftraggeber gesetzten Frist zur rechtzeitigen Fertigstellung bzw. ordnungsgemäßen Bewirkung der Bauleistung (§ 8 Nr. 3 VOB/B).
f) Sicherheiten nach Abnahme
§ 648 a Abs. 1 BGB gibt dem Auftragnehmer auch nach der Abnahme das Recht, eine Sicherheit zu verlangen, wenn der Besteller noch Erfüllung des Vertrages (Mängelbeseitigung) fordert. Leistet der Auftraggeber auf ein berechtigtes Sicherungsverlangen nach der Abnahme die Sicherheit nicht, ist der Auftragnehmer berechtigt, die Mangelbeseitigung zu verweigern. Er kann dem Auftraggeber in sinngemäßer Anwendung des § 648 a Abs. 5 S. 1 BGB i. V. m. § 643 Abs. 1 BGB eine Nachfrist zur Sicherheitsleistung mit der Erklärung setzen, dass er die Mangelbeseitigung ablehne, wenn die Sicherheit nicht fristgerecht geleistet werde. Nach fruchtlosem Ablauf der Nachfrist wird der Auftragnehmer von der Pflicht zur Mangelbeseitigung frei. Ihm steht in weiterer sinngemäßer Anwendung des § 645 Abs. 1 BGB und § 648 a Abs. 5 S. 2 BGB der Anspruch auf die um den Mangel bedingten Minderwert verkürzte Vergütung und der Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens zu. Macht der Auftragnehmer von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch, kann der Auftraggeber dem Verlangen auf Zahlung des vollen Werklohns das gesetzliche Leistungsverweigerungsrecht (§ 273 BGB) auch dann entgegenhalten, wenn er die Sicherheit nicht gestellt hat (zum Ganzen: BGH, BauR 2004, 830 ff.).
Auch § 648 BGB (Sicherungshypothek des Bauunternehmers) ist nach Abnahme anwendbar, wobei die sich durch die Abnahme geänderte Beweislastverteilung zu beachten ist. Soll z.B. eine Werklohnforderung durch eine Bauhandwerkersicherungshypothek (§ 648 BGB) gesichert werden und will der Auftraggeber wegen behaupteter Mängel Abzüge von der Werklohnforderung vornehmen, obliegt ihm die Darlegung und Beweislast der behaupteten Mängel, wenn er die Leistungen des Auftragnehmers bereits abgenommen hat (vgl. entsprechend bei einem einstweiligen Verfügungsverfahren: OLG Hamm, BauR 1999, 407 ff.).
a) Ausdrückliche Abnahme
Die ausdrücklich erklärte Abnahme erfordert, dass der Auftraggeber seinen Abnahmewillen, also die Billigung der Leistung als vertragsgemäß, gegenüber dem Auftragnehmer zum Ausdruck bringt (vgl. BGH, NJW 1974, 95 f.).
Die entsprechende Willenserklärung kann wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung nicht angefochten werden. Der Auftraggeber ist dann auf die Spezialregelungen der Gewährleistung beschränkt (vgl. aber zur Anfechtung eines Abnahmeprotokolls wegen widerrechtlicher Drohung: BGH, BauR 1983, 77 ff.).
Sofern keine andere Frist vereinbart ist, hat der Auftraggeber die Bauleistungen gemäß § 12 Nr. 1 VOB/B innerhalb von 12 Werktagen (Auch Samstag ist ein Werktag, wie sich aus § 11 Nr. 3 VOB/B ergibt: BGH, BauR 1978, 485 ff.) abzunehmen, wenn der Auftragnehmer die Abnahme nach Fertigstellung verlangt. Der Fristlauf beginnt mit Zugang der Aufforderung beim Auftraggeber.
Die Regelung in § 12 Nr. 1 VOB/B dient der Festlegung, wann der Auftraggeber zur Abnahme verpflichtet ist. Läuft die 12-Tage-Frist fruchtlos ab, gerät der Auftraggeber in Verzug mit der Annahme der Leistung (Gläubigerverzug) und gleichzeitig (Verschulden vorausgesetzt) auch ohne gesonderte Mahnung in Verzug mit der Abnahme (Schuldnerverzug). Der Auftraggeber trägt dann das Risiko eines zufälligen Untergangs der Bauleistung und der Auftragnehmer ist insoweit nur noch verantwortlich zu machen, wenn ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit (§ 300 BGB) - was praktisch nie der Fall sein wird - nachzuweisen ist. Ferner kann der Auftragnehmer vom Auftraggeber Mehraufwendungen für die Erhaltung der Bauleistung verlangen. Dazu rechnen insbesondere diejenigen Kosten, die dem Auftragnehmer durch § 4 Nr. 5 VOB/B auferlegt sind (vgl. hierzu Teil 4). Bei Schuldnerverzug kann der Auftraggeber Verzugsschaden, insbesondere wegen nicht rechtzeitiger Vergütung, geltend machen (§§ 280 Abs. 1 und 2, 286, 288 BGB).
Die Abnahme kann auch konkludent erklärt werden, das heißt sich aus dem schlüssigen Verhalten des Auftraggebers ergeben. Sie setzt wie die ausdrückliche Abnahme ein vom Willen des Auftraggebers getragenes Verhalten voraus. Von einer konkludenten Abnahme kann nur ausgegangen werden, wenn der Billigungswille des Auftraggebers zweifelsfrei aus den Umständen des Einzelfalles zu entnehmen ist. Hier ist auf eine umfangreiche Rechtsprechung zurück zu greifen. Z.B. kann die vorbehaltlose Zahlung der Vergütung (OLG Köln, BauR 1992, 514 ff.) vor allem bei gleichzeitiger bestimmungsgemäßer Ingebrauchnahme des Bauwerks (OLG München, BauR 2003, 124 ff.) eine stillschweigende Abnahme darstellen. Gleiches gilt etwa bei Freigabe der Sicherheitsleistung des Auftragnehmers bzw. des vom Auftraggeber einbehaltenen Sicherheitsbetrages (BGH, NJW 1963, 806 f.) oder bei Einbehalt eines geringfügigen Betrages für gerügte Mängel im Rahmen eines Schlussgespräches über die Restforderung des Auftragnehmers (OLG Koblenz, NJW-RR 1994, 786 ff.).
Eine konkludente Abnahme liegt dann nicht vor, wenn die Leistung nur teilweise und dazu noch vertragswidrig ausgeführt wurde, weil hier von einer stillschweigenden Billigung der Werkleistung durch den Auftraggeber nicht ausgegangen werden kann, selbst wenn die Bauleistung in Nutzung genommen wird (BGH, BauR 1995, 91 f.). Das gleiche gilt z.B. auch, wenn der Auftraggeber Mängel der Werkleistung geltend macht und damit zum Ausdruck bringt, dass er das Werk nicht als vertragsgemäß billigt (BGH, NJW-RR 1996, 883 ff.).
Genauso wie zur ausdrücklichen kann der Auftraggeber auch zur konkludenten Abnahme gemäß § 12 Nr. 1 VOB/B aufgefordert werden. Die rechtlichen Folgen sind die gleichen.
Die förmliche Abnahme (§ 12 Nr. 4 VOB/B) als besondere Form der ausdrücklichen Abnahme ist eine Spezialität der VOB/B und im BGB nicht zu finden. Sie hat den Zweck, dass die Parteien eines Bauvertrages an Ort und Stelle klären, was der Auftraggeber als vertragsgerecht erachtet und was nicht. Das soll spätere Streitigkeiten über bekannte oder unbekannte Mängel und Beweisschwierigkeiten vermeiden (BGH, BauR 1996, 378 ff.).
Die förmliche Abnahme kann bereits im Bauvertrag vereinbart (vgl. BGH, BauR 1996, 378 ff.), sie kann aber auch erst während des Bauvorhabens von einer Vertragspartei verlangt werden (§ 12 Nr. 4 VOB/B). In diesem Fall muß ein genauer Abnahmetermin bestimmt oder mit der anderen Vertragspartei vereinbart sein. Die Einladung muß konkrete Angaben über Ort und Zeit der Abnahme enthalten sowie über die abzunehmenden Leistungen informieren. Zwischen dem Zugang der Einladung und dem geplanten Abnahmetermin muss eine ausreichende Frist bestehen, damit der Vertragspartner Gelegenheit hat, sich auf den Termin einzurichten. Außerdem muss die Baustelle oder der Ort der abzunehmenden Leistung zugänglich sein, wofür der Auftragnehmer zu sorgen hat. Das zu fertigende Abnahmeprotokoll hat eine Erklärung zu enthalten, dass die Bauleistung abgenommen wurde. Vorbehalte wegen bekannter Mängel und einer Vertragsstrafe sind aufzunehmen. Die Niederschrift ist von beiden Seiten zu unterzeichnen. Jede Partei erhält eine Ausfertigung des Protokolls.
Der Auftraggeber kann die förmliche Abnahme in Abwesenheit des Auftragnehmers durchführen, wenn der Termin vereinbart war oder der Auftraggeber mit genügender Frist dazu eingeladen hatte (§ 12 Nr. 4 Abs. 2 VOB/B). Dadurch verhindert der Auftraggeber, dass er in (Schuldner-) Verzug mit seiner Pflicht zur Abnahme kommt.
Erscheint der Auftraggeber nicht zu dem von ihm anberaumten Abnahmetermin, kommt er in Gläubiger- und zugleich Schuldnerverzug. Die Folgen sind oben unter 3. a) dargestellt.
Im Übrigen kann jede Partei auf ihre Kosten einen Sachverständigen für die förmliche Abnahme hinzuziehen (§ 12 Nr. 4 Abs. 1 S. 2 VOB/B). Die in §12 Nr. 4 Abs. 1 S. 2 VOB/B geregelte Kostentragungspflicht bezieht sich ausschließlich auf die dort genannte sachverständige Tätigkeit, also auf die erstmalige Begutachtung von Mängeln. Hiervon zu unterscheiden ist die Hinzuziehung eines Sachverständigen zum Zwecke der Feststellung von bereits aufgetretenen Mängeln. Hier kann sich hinsichtlich der Sachverständigenkosten ein Anspruch des Auftraggebers gegen den Auftragnehmer bei weiteren Voraussetzungen vor der Abnahme aus § 4 Nr. 7 S. 2 VOB/B und nach der Abnahme aus § 13 Nr. 5 VOB/B oder § 13 Nr. 7 Abs. 1 VOB/B (BGH, NJW 1971, 99 ff.) ergeben.
Die fiktive Abnahme ist in § 12 Nr. 5 VOB/B geregelt und wird oftmals als "stillschweigende" Abnahme bezeichnet. Das ist rechtsbegrifflich irreführend, da bei ihr die Abnahmewirkungen aufgrund bestimmter äußerlicher Ereignisse und unabhängig vom ausdrücklich oder sich aus den Umständen ergebenden Willen des Auftraggebers, die Leistung als vertragsgerecht entgegen zu nehmen, eintreten. Hier geht es also gerade nicht um eine stillschweigende Billigung. Der vertraglich vereinbarte Ausschluss der fiktiven Abnahme bedeutet daher nicht auch gleichzeitig den Ausschluss einer schlüssigen Abnahme (Ingenstau/Korbion, VOB-Kommetar, 15. Auflage, § 12 Nr. 5 VOB/B Rn. 1).
Die Abnahme wird aufgrund von zwei Sachverhalten fingiert:
- Zum einen tritt die Fiktion 12 Tage nach schriftlicher Mitteilung der Fertigstellung der Bauleistung ein, sofern keine Abnahme verlangt wird (§ 12 Nr. 5 Abs. 1 VOB/B). Für die Mitteilung genügt nach ständiger Rechtssprechung die Zusendung der Schlussrechnung (zuletzt BGH, BauR 1989, 603 ff.). Vorbehalte wegen bekannter Mängel oder wegen Vertragsstrafen muss der Auftraggeber innerhalb der 12-Tage-Frist anbringen (§ 12 Nr. 5 Abs. 3 VOB/B), wobei es auf den Zugang der entsprechenden empfangsbedürftigen Willenserklärung beim Auftragnehmer ankommt (§ 130 Abs. 1 BGB). Der Vorbehalt kann zwar mündlich erklärt werden, sollte aber zu Beweiszwecken schriftlich erfolgen.
- Gemäß § 12 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B wird zum anderen nach Ablauf von sechs Werktagen, nachdem der Auftraggeber die Leistung oder einen in sich abgeschlossenen Teil in Benutzung genommen hat, fingiert, sofern auch hier keine Abnahme verlangt wird und sonst nichts anderes vereinbart ist. Die Frist beginnt mit dem bestimmungsgemäßen Gebrauch der Leistung. Die fiktive Abnahme ist ausgeschlossen, wenn die Bauleistung beispielsweise nur aufgrund einer dem Auftragnehmer bekannten Zwangslage des Auftraggebers in Benutzung genommen wird (z.B. Einzug weil das bisherige Haus geräumt werden muss: BGH, NJW 1975, 1701 ff.). Keine Ingebrauchnahme ist die Benutzung von Teilen einer baulichen Anlage zur Weiterführung der Arbeiten (§ 12 Nr. 5 Abs. 2 S. 2 VOB/B). Im übrigen hat der Auftraggeber auch hier darauf zu achten, dass etwaige Vorbehalte innerhalb der 6-Tage-Frist erklärt werden müssen.
Die Vereinbarung einer förmlichen oder ausdrücklichen Abnahme schließt die fiktive Abnahme nach § 12 Nr. 5 VOB/B grundsätzlich aus (BGH, BauR 1984, 166 ff.).
Anderes kann gelten, wenn die Vertragsparteien auf die förmliche Abnahme bewusst oder unbewusst nicht zurückkommen ("vergessene förmliche Abnahme") und sich aus ihrem Verhalten ein Verzicht auf die Abnahmeförmlichkeiten ergibt (OLG Stuttgart, NJW-RR 1986, 898 ff.). Gemäß dem Berliner Kammergericht sollen dabei jedoch nicht die in § 12 Nr. 5 VOB/B genannten Fristen gelten. Vielmehr sei deren Länge nach den Grundsätzen von Treu und Glauben anhand der Umstände des Einzelfalles festzulegen (KG, BauR 1988, 230 ff.).
Dieser Auffassung wird man nur im Ergebnis, nicht aber auf der Grundlage von § 12 Nr. 5 VOB/B folgen können. Haben die Vertragspartner eine förmliche Abnahme vereinbart, wollen sie in aller Regel gerade die Wirkung der Abnahmefiktion, insbesondere unter Berücksichtigung der kurzen Fristen, ausschließen. Ergibt sich ein Verzicht auf die vereinbarte förmliche Abnahme, ist eine Lösung über die Annahme einer konkludenten Abnahme sachgerechter. Dies hat der BGH (BB 1977, 869 ff.) z.B. für den Fall entschieden, dass der Auftragnehmer die Schlussrechnung übersendet, ohne die vereinbarte förmliche Abnahme zu fordern, da er hiermit zum Ausdruck bringt, auf eine förmliche Abnahme keinen Wert zu legen. Verlangt der Auftraggeber dann seinerseits mehrere Monate keine förmliche Abnahme, ist von einem entsprechenden übereinstimmenden Verzicht auszugehen. Darüber hinaus kann sich derjenige, der zwar eine förmliche Abnahme vereinbart hat, hierauf jedoch über einen längeren Zeitraum nicht zurückkommt, nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht auf eine fehlende förmliche Abnahme berufen (BGH, BauR 1989, 727 f.).
Die Abnahme in sich abgeschlossener Teile eines Auftrages findet als "Teilabnahme" nach § 12 Nr. 2 VOB/B statt. Keine Teilabnahme ist es, wenn zwei unabhängige Aufträge durchgeführt wurden und deren Leistungen abzunehmen sind. Denn dann sind jeweils auch zwei getrennte Gesamtabnahmen nach § 12 Nr. 1 VOB/B durchzuführen. Die Abnahme eines Auftrags kann nicht als Teilabnahme des anderen Auftrages verstanden werden, selbst wenn die Leistungen tatsächlich von einander abhängen.
Was "in sich abgeschlossene Teile" desselben Auftrages sind, ist nach herrschender Meinung anhand der Verkehrsauffassung in Bezug auf die Gebrauchs-, Nutzungs- bzw. technischen Funktionsfähigkeit der Bauleistung am Einzelfall orientiert zu beurteilen.
Auch die Teilabnahme ist grundsätzlich eine erklärte Abnahme. Sie muß also ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen. Die fiktive Abnahme kommt nach Sinn und Zweck nur für den in § 12 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B geregelten Fall in Betracht, wie der unterschiedliche Wortlaut zu § 12 Nr. 5 Abs. 1 VOB/B ("verlangt") ergibt.
Der Auftraggeber kann die Abnahme wegen wesentlicher Mängel bis zur Beseitigung gemäß § 12 Nr. 3 VOB/B verweigern. Was wesentliche Mängel sind, ist in Nr. 3 nicht ausgeführt. Zur Klärung wird § 13 Nr. 1 VOB/B herangezogen. Danach liegt ein wesentlicher Mangel vor, wenn die Bauleistung nicht die vertraglich zugesicherten Eigenschaften aufweist oder nicht den anerkannten Regeln der (Bau-) Technik entspricht. Ferner, wenn sie für die nach dem Vertrag vorausgesetzte oder gewöhnliche Verwendung ungeeignet ist und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Werken der gleichen Art unüblich ist und die der Auftraggeber nach der Art der Leistung nicht erwarten kann. Hierzu nimmt Teil 13 des Beitrags Stellung.
Vertragliche Vereinbarungen, wonach die Abnahme von einer Mängelfreiheitsbescheinigung eines Dritten (z.B. des Erwerbers eines Bauwerks) abhängig gemacht wird, sind in aller Regel unwirksam. Entsprechende Regelungen finden sich oft in Bauverträgen. Da der Auftragnehmer aber zu Dritten in keiner rechtlichen Beziehung steht, kann er von diesen auch keine Mängelfreiheitsbescheinigung erfolgreich mit dem Ziel verlangen, dass damit die Bedingung für die Abnahme eintritt. Insofern würde dem Auftragnehmer etwas aufgebürdet werden, worauf er im Streitfall keinen Einfluss hat (OLG Celle, IBR 1999, 366 ff.).
Gleiches gilt in Bezug darauf, wenn die Abnahme von einer öffentlichen Gebrauchsabnahme abhängig gemacht werden soll. Auch hier fehlt dem Auftragnehmer jedwede Handhabe, die Bedingung für die Abnahme herbei zu führen. Eine entsprechende Klausel, wie im übrigen auch eine individualvertragliche Abrede, ist daher unwirksam (OLG Düsseldorf, BauR 2002, 482 ff.).
Ähnlich gelagert ist der Fall, wenn eine Abnahme durch den Generalunternehmer laut Allgemeinen Geschäftsbedingungen in einem Subunternehmervertrag erst dann stattfinden soll, wenn der Bauträger das Gesamtbauwerk, in dessen Rahmen der Subunternehmer Teilleistungen für den Generalunternehmer erbracht hat, abnimmt. Auch hier fehlt dem Subunternehmer eine Handhabe, die Wirkungen der Abnahme zügig herbei zu führen. Entsprechende Vereinbarungen sind unangemessen und daher nicht bindend (OLG Düsseldorf, BauR 1999, 497 f.). Allerdings läßt der BGH hier Einschränkungen zu. Der zwischen (Bauherrn und Subunternehmer) "eingeklemmte" Generalunternehmer hat zwangsläufig ein berechtigtes Interesse an der Parallelschaltung wichtiger Regelungen des Generalunternehmervertrages einerseits und des Subunternehmervertrages andererseits (vgl. BGH, BauR 1996, 378 ff.). Daher sind Generalunternehmer regelmäßig bemüht, ein Regelwerk zu schaffen, mit dem sie (als Auftraggeber) gegenüber dem Subunternehmer rechtlich nicht schlechter gestellt sind als im Verhältnis zu ihrem Auftraggeber, dem Bauherrn. Dies betrifft auch den Zeitpunkt der Abnahme wegen der damit verbundenen Auswirkungen. Diese Situation erkennt der BGH an und spricht dem Generalunternehmer ein berechtigtes Interesse an einer Parallelschaltung des Abnahmezeitpunktes sowohl im Generalunternehmer- als auch im Subunternehmervertrag zu. Jedoch nicht unbegrenzt. So soll eine entsprechende Gleichschaltung nur dann zulässig sein, wenn z.B. das Werk des Subunternehmers erst im Zusammenhang von darauf aufbauenden Leistungen anderer Subunternehmer beurteilt werden kann oder etwa, wenn eine Gesamtabnahme, in dessen Rahmen die Leistungen des Subunternehmers abgenommen werden sollen, innerhalb eines zumutbaren Zeitraumes erfolgen soll (BGH, BauR 1989, 322 ff.).
Einen genaueren Überblick kann man sich in dem Nachschlagewerk Diehr/Knipper, Wirksame und unwirksame Klauseln im VOB-Vertrag, Vieweg 2003, verschaffen.
Mehr Informationen unter www.tis-online.info
Autor:
Dr. Uwe Diehr
Rechtsanwalt
Leinen & Derichs Anwaltsozietät
Kurfürstenstr. 31
14467 Potsdam
Tel.: 0331/28999-0
Fax: 0331/28999-14
Mail: uwe.diehr@leinen-derichs.de
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