Das Recht des VOB-Vertrages - Teil 5/18: Die Regelung der Bauzeit
13.07.2005
Der Paragraph 5 VOB/B behandelt den zeitlichen Bauablauf, der für beide Vertragsparteien von grundlegender Bedeutung ist. Denn der Auftraggeber beauftragt regelmäßig nur Leistungen, die er zu einer bestimmten Zeit benötigt. Für den Auftragnehmer ist die Definition der Bauzeit/Bauablauf neben der Bautechnologie und den örtlichen Verhältnissen eine der wesentlichen Grundlagen für die Preisermittlung der vertraglichen Leistungen, was sich entsprechend in der Urkalkulation niederschlägt.
Dabei ist bei den Ausführungsfristen zwischen so genannten
- Vertragsfristen und
- sonstigen Fristen
Vertragsfristen können schon in der Ausschreibungsphase verhandelt und mit dem Vertrag vereinbart werden. Aus pragmatischen Gründen ist aber auch die Absprache möglich, dass die Parteien erst eine gewisse Zeit nach Unterzeichnung des Vertrages die verbindlichen Ausführungsfristen einvernehmlich festlegen.
Waren in den Ausschreibungsunterlagen bereits Ausführungsfristen vorgegeben, verzögert sich jedoch die Zuschlagserteilung im Vergabeverfahren, etwa dadurch, dass ein Drittkonkurrent ein Vergabe-Nachprüfungsverfahren anstrengt und verlängert der Bieter deshalb auf Bitten des Ausschreibenden die Bindefrist zu seinem Angebot, so begründet dies eine gesteigerte Kooperationsverpflichtung, dass die Parteien nach Zuschlagserteilung den zeitlichen Aufschub zu den in dem Angebot enthaltenen Fristen hinzurechnen (so im Ergebnis schon zutreffend OLG Jena, BauR 2000, 1612).
Hat die Anpassung der Ausführungsfristen im Verhältnis zu den im Bauentwurf enthaltenen Fristen Auswirkungen auf die zeitabhängigen Kosten, etwa weil sich die Bauzeit in eine ungünstigere Jahreszeit verschiebt, sind die Parteien aus derselben gesteigerten Kooperationsverpflichtung, sodann auch verpflichtet, über die Anpassung der Vergütung auf der Grundlage der Preisermittlung der vertraglichen Leistungen zu verhandeln. Der entsprechende Anspruch des Auftragnehmers ergibt sich aus § 2 Nr. 5 VOB/B wegen der Änderung des zeitlichen Bauentwurfes (hierzu ausführlich Diehr, ZfBR 2002, 316 ff. und dem folgend BayObLG Vergaberecht 2002, 534 ff.).
Einerseits sind die Ausführungsfristen nach § 5 Nr. 1 VOB/B entsprechend § 6 Nr. 4 VOB/B fortzuschreiben.
Andererseits haben die Parteien - wenn und soweit sich infolge der Änderung des zeitlichen Bauentwurfs die zeitabhängigen sowie produktiven Baukosten ändern - genauso über die Vergütungsfortschreibung zu verhandeln, wobei die neuen Vertragspreise nicht frei, sondern auf der Grundlage der Preisermittlung der vertraglichen Leistungen unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu vereinbaren sind.
Irgendwelche Schadensersatzansprüche, etwa nach § 6 Nr. 6 VOB/B, folgen hieraus gegenseitig nicht, solange die hindernden Umstände von keinem Vertragsteil verschuldet wurden. Im Fall der Verschiebung der Zuschlagserteilung infolge eines von dritter Seite eingeleiteten Vergabe-Nachprüfungsverfahrens kann nämlich dem Auftraggeber kein Verschulden vorgeworfen werden, es sei denn, das Nachprüfungsverfahren hat seine Ursache in Rechtsverletzungen des Auftraggebers. Dann käme es aber regelmäßig nicht zum Zuschlag.
Hingegen liegt die potentielle Gefahr, dass ein Dritter ein Nachprüfungsverfahren anstrengt, in der Risikosphäre (was nichts mit einem Verschuldensvorwurf zu tun hat) des öffentlichen Auftraggebers. Denn diesem wird durch den Gesetzgeber das entsprechende Rechtsschutzverfahren aufgebürdet. Nicht mehr entscheidend ist dann, dass letztendlich auch nur der öffentliche Auftraggeber durch konsequente Einhaltung der Vergabevorschriften potentielle Nachprüfungsverfahren effektiv verhindern, zumindest aber einschränken und kurz halten kann.
Verschuldet der Auftragnehmer eine Bauzeitenstörung, hat er nicht nur keinen Anspruch auf Bauzeit- und Vergütungsanpassung, sondern macht sich schadensersatzpflichtig und verwirkt etwa eine vereinbarte Vertragsstrafe.
Sind keine Ausführungsfristen verbindlich vertraglich vereinbart, steht dem Auftraggeber ein einseitiges Bestimmungsrecht zu.
So kann der Auftraggeber den Auftragnehmer auffordern, über den voraussichtlichen Beginn der Arbeiten Auskunft zu erteilen, § 5 Nr. 2 Satz 1 VOB/B. Der Auftraggeber kann den Auftragnehmer auch auffordern, mit den Leistungen zu beginnen. Binnen 12 Werktagen muss der Auftragnehmer dann die Ausführung beginnen und dies dem Auftraggeber anzeigen, § 5 Nr. 2 Satz 2 und 3 VOB/B.
Ist aber ein Verzug gegeben, muss dann der Auftraggeber im Einzelnen darstellen, dass er an der Verzögerung keine Schuld trägt. Dies ist regelmäßig der Fall, gibt es geänderte oder zusätzliche Leistungen oder erhebliche Mengenmehrungen, die auf die Bauzeit einen Einfluss haben, was eine etwaige Fristüberschreitung rechtfertigt. Die Darlegungslast liegt beim Auftragnehmer.
Gelingt ihm eine solche Darstellung, hat er nicht nur Anspruch auf Anpassung der Ausführungsfristen nach § 5 Nr. 1 VOB/B entsprechend § 6 Nr. 4 VOB/B, sondern auch wegen der Änderung des zeitlichen Bauentwurfes Anspruch auf Anpassung des Vertragspreises nach § 2 Nr. 5 VOB/B. Liegen solche rechtfertigenden Gründe nicht vor oder kann sie der Auftragnehmer nicht hinreichend darlegen, kann der Auftraggeber dem Auftragnehmer nach fruchtlosem Ablauf der angemessen gesetzten Frist und einer mit der Fristsetzung verbundenen Androhung der Auftragsentziehung den Auftrag sodann nach § 8 Nr. 3 VOB/B schriftlich i. S. v. § 8 Nr. 5 VOB/B (zur Schriftform vgl. ausführlich Teil 4/18) kündigen und die Mehrkosten der Ersatzvornahme geltend machen.
Versuche, den Regelungskomplex des § 5 Nr. 1 VOB/B einzuschränken oder aufzuweichen, sind wenig Erfolg versprechend. Insofern ist der gesetzliche Prüfmaßstab für die Wirksamkeit solcher abweichenden Vereinbarungen nach §§ 305 ff. BGB zu beachten. Hierzu einige Beispiele:
Es ist etwa nach § 308 Nr. 1 BGB unwirksam, versucht sich entweder ein Auftraggeber oder aber ein Auftragnehmer als Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Fristen für die Leistungserbringung vorzubehalten. So ist es unwirksam, regelt ein Auftragnehmer in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen, dass etwaig vereinbarte Ausführungsfristen um 3 Monate überschritten werden dürfen (OLG Düsseldorf, Betrieb 1982, 220).
Auch kann ein Auftragnehmer nicht wirksam durch eine AGB vorgeben, dass von ihm angegebene Liefer- bzw. Leistungstermine unverbindlich sein sollen, weil dies ein Verstoß gegen § 309 Nr. 7 b) und Nr. 8 a) BGB darstellen kann (OLG Koblenz, ZIP 1981, 509).
Weiter kann in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht wirksam vereinbart werden, dass bei Überschreitung einer Ausführungsfrist ein Auftraggeber erst noch eine Nachfrist setzen müsse, um Verzug zu begründen. Dies verstieße gegen § 309 Nr. 8 a) BGB, weil damit auch Fälle erfasst werden, bei denen eine Nachfristsetzung entbehrlich wäre. Überhaupt ist das Erfordernis einer Nachfrist für Sachverhalte, die dies nach dem gesetzlichen Leitbild gerade nicht voraussetzen, ein Verstoß gegen § 308 Nr. 2 BGB und damit unwirksam (BGH, BauR 1985, 192). Bei verbindlich vereinbarten Fristen bedarf es zur Begründung des Verzuges dabei nie einer nochmaligen Nachfristsetzung.
Andererseits kann ein Auftraggeber in seinen AGB nicht wirksam regeln, dass ein Auftragnehmer nach besonderer schriftlicher Aufforderung durch den Auftraggeber mit den Leistungen beginnen muss, weil dem Auftragnehmer dadurch eine angemessene Abruffrist zur betrieblichen Planung nicht zugebilligt wird. Mit § 5 Nr. 2 VOB/B werden dem Auftragnehmer hingegen 12 Werktage zugestanden.
Unwirksam ist auch, behält sich ein Auftraggeber das Recht vor, den Auftrag ohne Nachfristsetzung zu entziehen. Zwar regelt sowohl das Gesetzesrecht als auch § 5 Nr. 4 VOB/B, dass Schadensersatzansprüche bereits bei Verzug geltend gemacht werden können. Eine sofortige Auftragsentziehung vor der Abnahme der Leistung aus wichtigem Grund soll jedoch nicht zulässig sein. § 5 Nr. 4 VOB/B sieht sogar vor, dem Auftragnehmer diese Konsequenz unter Einräumung einer angemessenen Frist ausdrücklich anzudrohen.
Im Übrigen wird wieder auf das Nachschlagewerk zum Aufstellen und Prüfen von Vertragsbedingungen: "Wirksame und unwirksame Klauseln im VOB-Vertrag", Herausgeber Diehr/Knipper, Vieweg 2003, verwiesen.
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