Das Recht des VOB-Vertrages Teil 8/18: Kündigung durch den Auftraggeber

26.08.2005

Diese Ausgabe behandelt den Paragraphen 8 des VOB/B, der die Kündigung durch den Auftraggeber regelt. Grundsätzlich ist zwischen der  freien/ordentlichen/grundlosen Kündigung und der außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund zu unterscheiden.

1. Die freie Kündigung

Wie die gesetzliche Vorschrift des § 649 BGB hält auch die Allgemeine Geschäftsbedingung des § 8 Nr. 1 VOB/B die freie Vertragsbeendigung durch den Auftraggeber bereit. Ein Auftraggeber kann bis zur Vollendung der Leistungen jederzeit den Vertrag ganz oder teilweise kündigen, ohne dass er dafür Gründe nennen muss, wobei alle denkbaren Fallgruppen nach dem Wortlaut abgedeckt sind. Nach erfolgter Abnahme ist eine Kündigung nicht mehr möglich (BGH, BauR 1975, 280).

a) Form
Die Kündigung muss in der gewillkürten Schriftform des § 8 Nr. 5 VOB/B i. V. m. § 127 BGB und zwar durch den Auftraggeber selbst oder einen ordnungsgemäß bevollmächtigten Vertreter erfolgen. Rechtlich spricht man von einer einseitig gestaltenden empfangsbedürftigen Willenserklärung, die bedingungsfeindlich ist. Sie muss dem richtigen Adressaten, also dem Auftragnehmer oder dessen bevollmächtigten Vertreter zugehen (vgl. BGHZ 67, 271).

Es bedarf also grundsätzlich der Schriftform nach § 8 Nr. 5 VOB/B bis auf den Fall, dass der Auftraggeber die fraglichen Leistungen selbst erbringt, wie sich aus § 2 Nr. 4 VOB/B ergibt. Hintergrund dieser Ausnahme kann nur sein, dem Auftraggeber eine formal fehlgeleitete Ersatzvornahme möglichst weitgehend zu retten. Denn würde ein Auftraggeber z.B. unter Verletzung der Formalien des § 4 Nr. 7 VOB/B (Mahnung der mangelhaften Ausführung unter Fristsetzung mit Androhung der Auftragsentziehung) die Ersatzvornahme durchführen, müsste er dem Auftragnehmer dennoch die vollständige Leistung bezahlen, als wenn der Auftragnehmer sie selbst erbracht hätte. Mit Blick auf § 2 Nr. 4 i. V. m. § 8 Nr. 1 VOB/B und § 649 BGB wird er zumindest insofern besser gestellt, dass er bei der faktischen Ersatzvornahme dem Auftragnehmer wenigstens die ersparten Aufwendungen vom Vergütungsanteil abziehen kann.
b) Anwendungsbereich
Hinsichtlich des Anwendungsbereiches liegt eine freie Kündigung auch etwa dann vor, wenn eine fest beauftragte Leistungsposition des Bauvertrages vollständig (so genannte Nullposition) oder teilweise (Gehwegplatten auf beiden Straßenseiten werden reduziert und sind nur noch auf einer Straßenseite zu erbringen) entfällt und der Auftragnehmer keinen Ausgleich dafür erhält, weil keine andere Leistung an die Stelle der weggefallenen Leistung tritt (vgl. etwa OLG Oldenburg, BauR 2000, 897). Demnach ist die Abgrenzung zwischen freier Kündigung und Änderung des Bauentwurfes nach § 2 Nr. 5 VOB/B darin zu sehen, ob für Minderkosten auch Mehrkosten zu berücksichtigen sind.

Müssen Eventual- oder Alternativpositionen oder so genannte angehängte Stundenlohnarbeiten, die ebenso als Bedarfspositionen anzusehen sind, nicht erbracht werden, ist dies keine Kündigung, weil sie noch nicht beauftragt waren, vielmehr die Beauftragung unter der Bedingung der entsprechenden Anordnung oder ihrer entsprechenden Notwendigkeit i. S. v. § 2 Nr. 8 Abs. 2 Satz 2 VOB/B stand (im Einzelnen Vygen, BauR 1992, 135 ff.).

c) Ohne wichtigen Grund
Als freie Kündigung gelten alle Kündigungen des Auftraggebers, die ohne wichtigen Grund erfolgen. Als wichtiger Grund in diesem Sinne gelten dabei nur Sachverhalte, die im Bereich des Auftragnehmers liegen. Sollte ein Auftraggeber solche behaupten, sie jedoch nicht hinreichend belegen können, würde eine Kündigung aus wichtigem Grund regelmäßig nach § 140 BGB umgedeutet zur hier gemeinten freien Kündigung (BGH, NJW-RR 1993, 882; BGH, NZBau 2001, 621 f.).
d) Bei Pflichtverletzung des Auftraggebers
Eine freie Kündigung ist auch für die Fälle gerechtfertigt, in denen der Auftraggeber die Kündigung selbst verschuldet hat. Es ist also ernsthaft so, dass eine freie Kündigung auch möglich ist, wenn der Auftraggeber eigene Pflichten zulasten des Auftragnehmers verletzt und deswegen den Vertrag kündigt (ein Beispiel ist etwa das Fehlen von Geldmitteln zur Baufinanzierung, vgl. BGH SFHZ 2.510, Blatt 60; aber auch fehlerhafte, nicht ausführbare Auftraggeberplanungen). Auch wenn der Auftraggeber seine Mitwirkungspflichten verletzt und in der Konsequenz kündigt, ist dies eine freie Kündigung und schneidet dem Auftragnehmer weitergehende Rechte als Konsequenz des ihn schädigenden Verhaltens seines Auftraggebers ab (als Beispiel kann die Entscheidung OLG Schleswig, BauR 1989, 731 angeführt werden).

e) Wirksamkeitszeitpunkt
Die Kündigung wird wirksam mit deren Zugang beim Auftragnehmer; bzw. zum Beginn der Selbstvornahme i. S. v. § 2 Nr. 4 VOB/B. Sie ist ohne jegliche Einhaltung einer Frist, nämlich nach dem Wortlaut "jederzeit" zulässig und führt zur Beendigung des Bauvertragsverhältnisses für die Zukunft, lässt damit den Vertrag für die Vergangenheit sowohl als Rechtsgrund für die Abrechnung der erbrachten Leistungen als auch als Rechtsgrund für die Mängelansprüche (Gewährleistungsansprüche) dieser erbrachten Leistungen bestehen (vgl. hierzu BGH, ZfBR 1982, 160 m. w. N.).
2. Kündigung des Auftraggebers aus wichtigem Grund

a) Auftragnehmerinsolvenz
Als wichtige Kündigungsgründe zugunsten des Auftraggebers gelten nach der VOB insbesondere die Zahlungseinstellung des Auftragnehmers oder die Beantragung des Insolvenzverfahrens bzw. vergleichbare gesetzliche Verfahren über das Vermögen des Auftragnehmers, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Auftragnehmers oder aber die Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse, vgl. § 8 Nr. 2 VOB/B.
Jeder Tatbestand setzt ein neues Kündigungsrecht. Hat sich etwa ein Auftraggeber bei der Zahlungseinstellung des Auftragnehmers noch nicht zur Kündigung durchringen können, kann er dies, wird nun das Insolvenzverfahren beantragt. Hat er sich noch immer nicht entschieden, kann er kündigen, wird das Insolvenzverfahren eröffnet oder aber die Eröffnung mangels Masse abgelehnt.

In jedem Fall bleibt dem Auftragnehmer der Anspruch auf Vergütung der tatsächlich ausgeführten Leistungen, wobei er diese nach § 6 Nr. 5 VOB/B (vgl. Teil 6) abzurechnen hat. Der Auftraggeber kann im Übrigen Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Restes verlangen. Dies wird regelmäßig wirtschaftlich wenig Sinn machen, es sei denn, es steht genügend Vertragserfüllungsbürgschaft bereit. Die Erfüllungsschäden, namentlich die Mehrkosten der Ersatzvornahme werden also praktisch regelmäßig aus der Vertragserfüllungssicherheit befriedigt werden.
b) Mängel oder Verzug
Wichtige Gründe für eine außerordentliche Vertragskündigung sind sodann die Fälle des § 4 Nr. 7 VOB/B, also die mangelhafte Ausführung der Leistungen vor der Abnahme und nach § 4 Nr. 8 VOB/B des unerlaubten Nachunternehmereinsatzes, die Fälle des Verzuges des Auftragnehmers mit der Leistungserfüllung nach § 5 Nr. 4 VOB/B.

Jeweils muss der Auftraggeber die fragliche Vertragspflichtverletzung ausdrücklich abmahnen und unter Fristsetzung die Auftragsentziehung androhen. Auch wenn dies nicht vorgeschrieben ist, wäre einem Auftraggeber zu raten, die Abmahnung schriftlich zu gestalten. Nach fruchtlosem Ablauf kann dann gekündigt werden.

Alle vorbenannten Kündigungsgründe nach § 8 Nr. 3 VOB/B berechtigen zur vollständigen Entziehung des Auftrages aber auch zur Teilentziehung, wobei sich diese dann auf in sich abgeschlossene Teile der vertraglichen Leistungen beziehen muss.

Auch wenn dies § 8 Nr. 3 VOB/B nicht ausdrücklich erwähnt, hat der Auftragnehmer trotz der außerordentlichen Kündigung Anspruch auf Vergütung der von ihm erbrachten Leistungen.

Nach der Auftragsentziehung kann der Auftraggeber die entzogenen Leistungen im Wege der Ersatzvornahme erbringen lassen. Die Mehrkosten der Ersatzvornahme und alle weiteren Schäden kann er gegen den Auftragnehmer geltend machen. Er ist auch berechtigt, auf die Ausführung der Leistungen zu verzichten und lediglich Schadensersatz wegen Nichterfüllung geltend zu machen, § 8 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B.

Für die Weiterführung der Arbeiten darf der Auftraggeber die verbliebenen Geräte, Gerüste und sonstige auf der Baustelle vorhandenen Einrichtungen, angelieferte Stoffe und Bauteile gegen Vergütung in Anspruch nehmen, § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOB/B.

Dabei hat der Auftraggeber nach § 8 Nr. 3 Abs. 4 VOB/B dem Auftragnehmer eine Aufstellung über die entstandenen Mehrkosten und über seine anderen Ansprüche spätestens binnen 12 Werktagen nach Abrechnung mit dem Dritten (also Ersatzvornehmenden) zuzusenden.
c) Sonstige Pflichtverletzungen durch den Auftragnehmer
Auch alle sonstigen wichtigen Gründe rechtfertigen zur Kündigung, selbst wenn sie nicht in § 8 Nr. 3 VOB/B ausdrücklich erwähnt sind. Dann ist maßgeblich auf das Gesetzesrecht und hier auf das Gebot von Treu und Glauben nach § 242 BGB abzustellen, wobei im Rahmen des VOB/B-Vertrages im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung auf § 8 Nr. 3 VOB/B entsprechend abgestellt werden kann.

Maßstab für die sonstigen wichtigen Gründe ist nach der Rechtsprechung, ob eine grobe Störung des vertraglichen Vertrauensverhältnisses vorliegt, der den Vertragszweck gefährdet und es einem Vertragspartner deswegen nicht mehr zumutbar ist, an dem Vertrag festzuhalten (vgl. etwa BGH, BauR 1996, 704 und BauR 2000, 409).

Es ist müßig, Beispiele für solche sonstigen wichtigen Gründe kurz benennen zu wollen, weil jeweils auf einen umfangreichen Sachverhalt abgestellt werden muss. Gleichwohl sei zumindest die Entscheidung des BGH erwähnt, der einen wichtigen Grund für die Kündigung darin sah, dass ein Auftragnehmer trotz wiederholter Abmahnungen Boden über die Straße transportierte anstatt über die Schienen oder Wasserwege, wie dies im Bauvertrag und in der wasserrechtlichen Genehmigung vorgesehen war (BGH, BauR 1996, 704 f.).

In jedem Fall sollten solche Weiterungen auch unter Berücksichtigung der gegenseitigen vertraglichen Kooperation sehr sorgfältig bedacht und Rechtsrat eingeholt werden. Andererseits kann eine Kündigung bei der Verletzung der aus dem VOB-Vertrag fließenden Kooperationspflicht begründet sein (vgl. den Grundsatz BGH, BauR 2000, 409). Es ist jedoch hinzuzusetzen, dass die Rechtsprechung bisher regelmäßig wichtige Kündigungsgründe im Ergebnis mit Blick auf den konkreten Tatsachenvortrag gerade in diesem Bereich verneinte.
d) Wettbewerbsverstoß
Kündigen kann der Auftraggeber den Vertrag auch wegen unzulässigen Wettbewerbsbeschränkungen und zwar innerhalb von 12 Werktagen nach bekannt werden des Kündigungsgrundes, § 8 Nr. 4 und 5 VOB/B.

Hinsichtlich der Rechtsfolgen der Kündigung gilt im Übrigen § 8 Nr. 3 VOB/B, wie sich aus der entsprechenden Verweisung des § 8 Nr. 4 letzter Satz VOB/B ergibt.

e) Form der Kündigung aus wichtigem Grund
Wie die freie Kündigung müssen alle Kündigungen aus wichtigen Grund gem. § 8 Nr. 5 VOB/B schriftlich erfolgen (vgl. zur gewillkürten Schriftform bereits oben und Teil 3 und 4).
f) Hinweise zu den Auftraggeberrechten
Als Rechtsfolge einer berechtigten Kündigung aus wichtigem Grund wurde bereits darauf hingewiesen, dass der Auftraggeber die Mehrkosten der Ersatzvornahme, etwaige Schadensersatzansprüche und auch Vertragsstrafen bis zum Zeitpunkt der Kündigung berechnen kann. Ein Auftraggeber sollte immer bedenken, dass die Anforderungen an die Mehrkostenberechnung hinsichtlich der Darlegungs- und Beweissituation hoch sind:
  • Es muss im Einzelnen belegt werden, welche Leistungen noch ausstanden und daher durch Dritte erbracht werden mussten.
  • Es muss im Einzelnen belegt werden, dass die verursachten Kosten tatsächlich angefallen sind und auch ortsüblich und angemessen waren. Etwaige Ohnehin- bzw. Sowieso-Kosten sind nicht erstattungsfähig. Hierzu gehören etwa auch Leistungen, für die mit Blick auf den ursprünglichen Auftrag ein Nachtrag nach § 2 Nr. 5 oder 6 VOB/B hätte ausgelöst werden müssen. Gerade in diesem Bereich der Mehrkosten infolge der Kündigung zu belegen, ist besonders schwierig.
Das Gebot, die Ersatzvornahme möglichst preiswert vorzunehmen, also den Rahmen von ortsüblich und angemessenen Preisen nicht zu überschreiten, folgt dabei aus der Schadensminimierungspflicht des Auftraggebers nach § 254 Abs. 2 BGB.
Schwierigkeiten folgen auch bezüglich der Gewährleistung mit Blick auf die Leistungsabgrenzung. Zwar hat der Auftraggeber gegen den gekündigten Auftragnehmer bezüglich der erbrachten Leistungen Gewährleistungsansprüche. In der Folge hat der gekündigte Auftragnehmer nach der Kündigung einen Anspruch, Mängel an dem von ihm erstellten Teilwerk zu beseitigen, so dass der Auftraggeber insofern noch Frist nach § 13 Nr. 5 VOB/B setzen muss. Nur wenn die Kündigung gerade wegen der fraglichen Mängel berechtigt war, muss der Auftraggeber bezüglich dieser Mängel dem Auftragnehmer nicht nochmals Frist setzen. Erbringt dann ein Dritter die Restleistungen nach der Kündigung, entstehen oft Abgrenzungsschwierigkeiten, zeigen sich an diesen Restleistungen später Mängel, weil dann zu klären ist, ob die Probleme vom ursprünglichen Auftragnehmer oder von der ersatzvornehmenden Firma verursacht wurden.

Der Auftraggeber kann eine wegen Verzuges verwirkte, nach Zeit bemessene Vertragsstrafe nur für die Zeit bis zum Tag der freien oder außerordentlichen Kündigung des Vertrages fordern, § 8 Nr. 7 VOB/B.
Namentlich Vertragsstrafen, Verzugsschäden oder Mehrkosten der Ersatzvornahme, können vom Auftraggeber aktiv oder aber im Wege der Verrechnung geltend gemacht werden, so dass es der streitwerterhöhenden Aufrechnung nicht bedarf (vgl. zur Abgrenzung jüngst OLG Karlsruhe, MDR 2004, 684; OLG Dresden, BauR 2003, 1736 ff.; BGH, NJW-RR 2000, 285 und BGH, NJW-RR 1997, 1157 f.). Die Einordnung als Verrechnung im Gegensatz zur Aufrechnung ist wirtschaftlich auch bei Insolvenz des Auftragnehmers von Bedeutung. Nur so kann nämlich rechtssicher mit einer noch ausstehenden Werklohnforderung für das bis zur Insolvenzverfahrenseröffnung erbrachte Teilwerk verrechnet werden, ohne mit etwaigen Aufrechnungsverboten nach der Insolvenzordnung in Konflikt zu geraten. Hier sollte man sich im Einzelfall konkreten Rechtsrat einholen.
3. Abrechnung vorzeitig beendeter Bauverträge

a) Aufmaß – Abnahme - Schlussrechnung
Immer – also sowohl nach der freien also auch nach der außerordentlichen - kann der Auftragnehmer alsbald nach der Kündigung Aufmaß und Abnahme der von ihm ausgeführten Leistungen verlangen. Er muss unverzüglich eine prüfbare Rechnung über die ausgeführten Leistungen vorlegen, § 8 Nr. 6 VOB/B.

Nach der Kündigung kann der Unternehmer keine Abschlagszahlungen mehr verlangen, sondern muss Schlussrechnung legen und kann auch nur aus dieser klagen (BGH, BauR 1985, 456; BGH NJW-RR 1987, 724, BGH, BauR 2000, 1482). Dabei muss sich der Auftragnehmer streng an die Formalien des § 14 Nr. 1 VOB/B halten.

Hilfreich ist, wenn zwischen den Parteien wenigstens der Tatbestand der Leistungsabgrenzung geklärt wird, am besten durch ein gemeinsames Aufmaß i. S. v. § 14 Nr. 2 VOB/B, wobei namentlich § 8 Nr. 6 VOB/B dem Auftragnehmer auch das Recht speziell für den Fall der Kündigung einräumt, Aufmaß und Abnahme der von ihm ausgeführten Leistungen alsbald nach der Kündigung zu verlangen. Er sollte dies unter Fristsetzung tun.
Sowohl im Rahmen von § 14 Nr. 2 als auch im Rahmen von § 8 Nr. 6 VOB/B gilt, dass nach fruchtlosem Ablauf der Frist eine Beweislastumkehr eintritt, lässt sich später die Leistungsabgrenzung nicht mehr vornehmen. Der Auftragnehmer kann also nach Ablauf der Frist ein Aufmaß selbst fertigen und auf dieser Grundlage abrechnen. Den von der Rechtsprechung aufgestellten Regelungen der Beweislastumkehr folgend muss der Auftraggeber darlegen und beweisen, dass andere Mengen und Massen erbracht wurden, obwohl naturgemäß grundsätzlich der Auftragnehmer für seine Leistungserbringung darlegungs- und beweisbelastet ist (vgl. zu diesem Komplex vor allem BGH, BauR 2003, 689 ff. und 1207 ff.).

Es bedarf also grundsätzlich keines selbstständigen Beweisverfahrens oder einer privaten Beweissicherung. Nur wenn ein Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens darauf angewiesen ist, sein Aufmaß selbst zu fertigen, sollte er sich einen sachverständigen Zeugen für die Beweissicherung hinzuziehen, weil er – anders als seine Mitarbeiter – als Zeuge nicht zugelassen ist.

Es genügt letztlich, nimmt der Auftagnehmer sein Aufmaß, wobei er vor Ort lediglich feststellen muss, welche Leistungspositionen des Vertrages erbracht sind, so dass dann am Schreibtisch - etwa anhand von Ausführungszeichnungen - die Mengen z. B. nach DIN 18.209 Ziff. 5 ermittelt werden können. Kompliziert ist die Situation, soweit einzelne Leistungspositionen begonnen aber nicht vollständig ausgeführt wurden. Hier muss vor Ort der genaue Schnitt entweder durch örtliches Aufmaß, zumindest aber durch Einzeichnung in die entsprechende Planung, erfolgen.
b) Schlussrechnungsinhalte
Die Abrechnung des vorzeitig gescheiterten Vertrages ist durchaus kompliziert, wobei der Kompliziertheitsgrad davon abhängt, ob ein Einheitspreisvertrag (eher leicht), ein Detailpauschalpreisvertrag (etwas schwieriger) oder gar ein Funktional- bzw. Globalpauschalpreisvertrag (besonders schwierig) vorliegt. Gerade beim letzten Vertragstyp scheint regelmäßig die Einholung von Rechtsrat und sachverständiger Erfahrung bei erfolgreicher Abrechnung gescheiterter Funktionalpauschalpreisverträge notwendig.

aa) Bei einem Einheitspreisvertrag kann der Auftragnehmer die Vertragspositionen abrechnen, indem die erbrachten Mengen und Massen mit den Einheitspreisen multipliziert werden. Mengenminderungen infolge der Kündigung begründen keinen Anspruch auf Anpassung des Einheitspreises nach § 2 Nr. 3 VOB/B. Denn insofern ist etwa der Modus des § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B i. V. m. § 649 Satz 2 BGB für die freie Kündigung das speziellere und somit vorgehende Recht (vgl. OLG Celle, BauR 1995, S. 558).
bb) Besonders kompliziert ist die Abrechnung eines vorzeitig beendeten Pauschalpreisvertrages. Hier lässt sich die Höhe der Vergütung nur nach dem Verhältnis des Wertes der erbrachten Teilleistung zum Wert der nach dem Pauschalpreisvertrag geschuldeten Gesamtleistung berechnen (ständige Rechtsprechung BGH vgl. etwa BGH, ZfBR 1999, 194).

Der Auftragnehmer muss in einem ersten Schritt erst einmal das vertragliche Leistungsprogramm des Pauschalpreisvertrages aufsplitten, am besten in Form eines Leistungsverzeichnisses, das plausibel zum Leistungsprogramm passt.

Handelt es sich nicht um einen Funktionalpauschalpreisvertrag sondern um einen Detailpauschalpreisvertrag, also einen Pauschalpreisvertrag, dem ein Einheitspreisangebot (ein Leistungsverzeichnis mit Preisen) zugrunde liegt, muss das Leistungsverzeichnis nicht erst durch Aufsplittung des Leistungsprogramms geschaffen werden.

Das Leistungsverzeichnis muss weiter aufgebrochen werden, indem die einzelnen Positionen hinsichtlich der Vergütungsanteile kalkulatorisch unterlegt werden. Hatte der Auftragnehmer von Anfang an ordentlich kalkuliert, ist diese Arbeit bereits erbracht. Ansonsten spricht der BGH davon, dass plausibel nachkalkuliert werden muss (BGH, BauR 1997, 304).
Erst dann kann der Auftragnehmer im Rahmen seiner Schlussrechnung die tatsächlich erbrachten Leistungen diesem aufgeschlüsselten Leistungsprogramm, also dem zur Abrechnung gefertigten Leistungsverzeichnis, zuordnen und mit den Kalkulationsansätzen für die einzelnen Teilleistungen bewerten.
cc) Im Falle der freien Kündigung steht dem Auftragnehmer die vereinbarte Vergütung zu. Er kann also auch die Leistungen, die er nicht erbrachte, abrechnen. Er muss sich jedoch anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrages an Kosten erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft und seines Betriebes erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt, § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B (inhaltlich identisch § 649 Satz 2 BGB, der statt Kosten den Begriff Aufwendungen verwendet). Der Auftragnehmer soll durch die Vorschrift so gestellt werden, wie er stünde, hätte er den Vertrag bis zu Ende durchgeführt. Er soll keine finanziellen Einbußen erleiden, aber infolge der Kündigung auch nicht zusätzlich bereichert werden (BGH, BauR 1996, 382).
Wie die Praxis lehrt haben viele Auftragnehmer Schwierigkeiten mit der Abrechnung der nicht erbrachten Leistungen, weil der Auftragnehmer gezwungen ist, seine Kalkulation zu öffnen, damit nachvollziehbar wird, wie er die einzelnen Leistungen hätte erbringen müssen und welche Teilkosten der Einzelleistungen durch die Nichterbringung nicht anfallen werden, wie etwa Material, das nicht verbraucht wird oder Treibstoff, der nicht verbraucht wird. Teilweise können sogar nicht eingebaute Teile berücksichtigt werden, etwa wenn Aufwendungen und somit Kosten für das Anfahren und wieder Abfahren angefallen waren oder aber wenn solche Bauteile nicht mehr anders verwendbar sind und entsorgt werden müssen etc. (vgl. hierzu auch BGH, BauR 1995, 545).
Weil es sich bezüglich der ersparten Aufwendungen nach der rechtlichen Regelung von § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B und § 649 BGB um Einwendungen des Auftraggebers handelt, muss dieser beweisen, dass mehr Aufwendungen erspart wurden, als sie ein Auftragnehmer schlüssig darlegte oder aber dass der Auftragnehmer darüber hinaus sogar böswillig unterließ, Kosten zu ersparen (primäre Darlegungslast beim Auftragnehmer, Beweislast jedoch beim Auftraggeber; hierzu: Vygen, Ingenstau/Korbion, VOB-Kommentar, 15. Aufl., § 8 Nr. 1 VOB/B, Rdn. 43 f.).
Regelmäßig dürfte bezüglich der nicht erbrachten Leistungen nur der kalkulierte Gewinnanteil bzw. Wagnisanteil verbleiben (vgl. Vygen, Ingenstau/Korbion, VOB-Kommentar, 15. Aufl., § 8 Nr. 1 VOB/B, Rdn. 50).
dd) Richtig kompliziert werden dann Schlussrechnungen bezüglich vorzeitig beendeter Verträge, wenn bis zur Beendigung schon eine Reihe von geänderten und zusätzlichen Leistungen als Nachträge geltend zu machen sind. Auch könnte der Auftragnehmer im Rahmen der Abrechnung der nicht erbrachten Leistungen die potentiellen Nachträge mit einstellen, soweit er diese inhaltlich hinreichend sicher vorhersehen konnte, etwa weil sich die Notwendigkeit eines bestimmten Nachtrages vor der Kündigung schon gezeigt, dieser möglicherweise sogar schon angezeigt oder gar angeboten war.

Hier empfiehlt sich eine fundierte rechtliche Beratung, bevor man die Schlussrechnung ins Werk setzt.

ee) Schließlich ist zu berücksichtigen, dass durch die Form der beim Scheitern des Pauschalpreisvertrages notwendigen Abrechnung enorme zusätzliche Aufwendungen entstehen können. Sollte der ursprüngliche Pauschalpreisvertrag es dem Auftragnehmer gerade ersparen, eine umfangreiche Abrechnung mit umfangreichen Aufmaßen und Nachweisen zu erbringen, muss er sich nunmehr sogar mehr Arbeit machen, als bei der Abrechnung eines bloßen Einheitspreisvertrages. Daher muss man zumindest bei einer freien Kündigung befürworten, dass ein so genannter Pauschalierungsnachlass unberücksichtigt bleibt (hierfür Vygen, in: Ingenstau/Korbion, VOB-Kommentar, 15. Aufl., § 8 Nr. 1 Rdn. 33). Konsequenter wäre es aber, es dem Auftragnehmer zu ermöglichen, gleichsam als zusätzliche Leistung seine internen und externen Kosten für die Aufstellung der Schlussrechnung als zusätzliche Leistung infolge der freien Kündigung i. S. v. § 2 Nr. 6 VOB/B als vergütungsfähig zuzugestehen oder hierin zusätzliche Aufwendungen/Kosten infolge der Aufhebung des Vertrages zu sehen, die er nach Treu und Glauben in die Vergütung bei der Abrechnung jeden Vertragstyps, also auch des Einheitspreisvertrages - einstellen kann.
4. Abweichende Vereinbarungen durch Allgemeine Geschäftsbedingungen

Die so genannte freie Kündigung nach § 8 Nr. 1 VOB/B und § 649 BGB ist durch individuelle Vereinbarung abdingbar. So kann geregelt werden, dass beide Parteien nur aus wichtigem Grund kündigen können.

Nach der neueren Rechtsprechung soll es dem Auftragnehmer hingegen nicht möglich sein, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen das freie Kündigungsrecht des Auftraggebers auszuschließen. Dies sei zulasten des Auftraggebers unangemessen und daher unwirksam (BGH, BauR 1999, 1294). Der BGH meint, ein Auftraggeber muss in der Lage sein, ein Bauvorhaben jederzeit zu stoppen und führt namentlich Probleme wie die Verlegung des Regierungssitzes von Bonn nach Berlin oder den Abzug von US-Stützpunkten nach der Wiedervereinigung oder infolge der Verlagerung des Firmensitzes oder der Produktionseinstellung eines Geschäftsbetriebes oder durch berufliche Versetzung und den dadurch bedingten Stopp des Baus eines bereits begonnenen Einfamilienhauses an (vgl. Vygen, Jahr-buch BauR 1998, S. 20 f.).
Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingen des Auftraggebers, dass der Auftragnehmer im Falle der Teilkündigung keinen entgangenen Gewinn verlangen kann, wenn ihm ein gleichwertiger Ersatzauftrag angeboten wird, soll i. S. v. §§ 307, 308 BGB angemessen und damit wirksam sein (OLG Kob-lenz, BauR 1992, 379).

Darf zwar ein Auftragnehmer das freie Kündigungsrecht durch AGB nicht abbedingen, kann dies in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die vom Auftraggeber verwendet werden, wirksam geschehen. Der Auftraggeber kann aber mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen den Vergütungsanspruch des Auftragnehmers nach erfolgter grundloser Kündigung nicht einschränken, etwa dahingehend, dass dieser nur die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen abrechnen darf (vgl. hierzu BGH, BauR 1985, 77 und BGH, BauR 1990, 81).
Es soll aber zulässig sein, die Höhe des Vergütungsanteils für nicht erbrachte Leistungen angemessen zu pauschalieren, soweit es den Vertragsparteien möglich bleibt, etwaige höhere oder niedrige ersparte Kosten darzulegen und zu beweisen. Dementsprechend hat die Rechtsprechung Pauschalen von 5 % (OLG Koblenz, BauR 2000, 419) aber auch ein Prozentsatz von 7,5 % (BGH, BauR 2000, 1194) des auf die infolge der Kündigung entfallenen Vergütungsanspruches für die nicht mehr erbrachten Leistungen als unbedenklich erachtet. Eine Pauschale von 25 % hat der BGH für unangemessen erachtet (BGH, BauR 2000, 430). Dem Auftraggeber darf aber nicht der Nachweis verwehrt werden, dass der Auftragnehmer höhere Aufwendungen erspart hatte etc. (BGH, BauR 1985, 79).

Einen Überblick kann man sich in dem Nachschlagwerk Diehr/Knipper, Wirksame und unwirksame Klauseln im VOB-Vertrag, Vieweg 2003, verschaffen.
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der tis Tiefbau Ingenieurbau Straßenbau
Mehr Informationen unter www.tis-online.info


Autor:
Dr. Uwe Diehr
Rechtsanwalt
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