Gelungener Mix aus Theorie und Praxis - 4. Deutscher Reparaturtag in Troisdorf
21.07.2015
Am 11. Juni 2015 hat in der Stadthalle in Troisdorf der Deutsche Reparaturtag stattgefunden. Das Vortragsprogramm der vom Verband Zertifizierter Sanierungsberater für Entwässerungssysteme e. V. (VSB) und der Technischen Akademie Hannover e. V. (TAH) organisierten Veranstaltung spannte einen breiten Bogen von „Entwicklung und Vorgehensweise“ über „Bauteile und Verfahren“ bis hin zu „Planung, Ausschreibung und Ausführung“.
Die vierte Auflage des Deutschen Reparaturtages wartete aber nicht nur mit aktuellen Informationen über den neuesten Stand der Reparaturtechnik auf, sondern auch mit einer Neuerung im Ablauf: Neben der traditionellen Fachausstellung mit Ständen von Herstellern, Anwendern und Verbänden konnten die Besucher des Reparaturtages erstmals auch Praxisvorführungen mit Erläuterungen zur Anwendung unterschiedlicher Reparaturverfahren hautnah erleben. Und das kam an: Dank der gelungenen Mischung aus theoretischer Inhaltsvermittlung und praktischer Vorführung präsentierte sich der Deutsche Reparaturtag in diesem Jahr lebendiger und facettenreicher denn je.
Wartung und Pflege sollten selbstverständlich sein
Der Vergleich, den Dr.-Ing. Igor Borovsky, 1. Vorsitzender der Technischen Akademie Hannover e. V., in seiner Begrüßung der Teilnehmer zog, war bildhaft: „Über 80% aller deutschen Haushalte verfügt über mindestens ein Auto. Das wird in der Regel als Statussymbol betrachtet und dementsprechend gewartet und gepflegt. Sobald eine Reparatur erforderlich ist, wird diese auch vorgenommen.“ Was fürs Fortbewegungsmittel selbstverständlich ist, fordert Borovsky auch für die Kanalinfrastruktur ein, zumal das, was heute noch relativ günstig repariert werden kann, morgen vielleicht teuer saniert werden muss – nicht zuletzt darum wurde das Veranstaltungskonzept rund um die Reparaturverfahren 2012 in Mainz aus der Taufe gehoben.
Der Reparaturtag, der sich als Diskussionsplattform versteht, auf der die Vorstellung aktueller Produktneuentwicklungen ebenso ihren Platz hat wie Neuerungen in Regeln und Technik, wird dabei vom Engagement vieler Beteiligter getragen. Dementsprechend dankte Borovsky allen an der Organisation und Durchführung des Kongresses Beteiligten. Dank gebühre neben den Referenten sowie Ausstellern und Sponsoren insbesondere Prof. Dr.-Ing. Volker Wagner, Hochschule Wismar, der die Veranstaltung zum wiederholten Mal moderierte, sowie Dipl.-Ing. Michael Hippe, Vorsitzender des Vorstandes des Verbandes Zertifizierter Sanierungsberater für Entwässerungssysteme e. V. (VSB), für seine fachliche und inhaltliche Unterstützung.
Für gemeinsames Verständnis sorgen
Prof. Wagner war es auch vorbehalten, den ersten Themenblock „Entwicklung und Vorgehensweise“ mit einem Referat zum aktuellen Stand der Normung im Bereich der Reparaturverfahren zu eröffnen. Der Redner berichtete unter anderem über die konstituierende Sitzung des Normenausschusses „Reparatur von Abwasserleitungen und -kanälen“ und machte deutlich, welchen Stellenwert eindeutige Definitionen bestimmter Begriffe für ein gemeinsames Verständnis haben.
Gemeinsamkeit war auch ein Schlüsselbegriff im Vortrag von Dipl.-Ing. Volker Jansen, Abwasserbetrieb Troisdorf, der im Anschluss das Troisdorfer Konzept der Kanalsanierung vorstellte. Die gebietsweise, ganzheitliche Strategie unter Einbeziehung aller Versorgungsträger, der Grundstücksentwässerung und, soweit möglich, des Straßenbaus habe sich bewährt.
Zur erfolgreichen Umsetzung einer solchen Mehrsparten-Strategie unbedingt erforderlich sei intensive Öffentlichkeitsarbeit, Beratung und Hilfestellung: „Es reicht nicht, mit der Gesetzeslage zu argumentieren – Sie müssen Emotionen ansprechen und persönliche Betroffenheit erzeugen“, so Jansen. Gefragt seien dabei praktische, anschauliche Beispiele. Wie dem Bürger etwa das Fremdwasserproblem begreiflich gemacht werden kann, demonstrierte der Redner an einem Rechenbeispiel, das die jährlich anfallende Wassermenge in Kölschgläser pro Sekunde umrechnete und auch den finanziellen Schaden konkret bezifferte.
Geballtes Know-how aus der Praxis
Um „Bauteile und Verfahren“ ging es in Block II, in dem Dipl.-Ing. Caroline Körner von den Stadtentwässerungsbetrieben Köln über ihre Erfahrungen im Umgang mit der Robotertechnik sowie deren Grenzen berichtete. Ihr Fazit: „Die Vielzahl der im Markt vorhandenen Geräte und Materialien ist für den Auftraggeber schwer zu überblicken. Mit dem DWA-Merkblatt, der VSB-Empfehlung sowie mit der hauseigenen ZTV-RR K stehen uns aber Hilfsmittel zur Verfügung, die, bei richtiger Anwendung, eine qualitativ hochwertige Arbeit der beauftragten Unternehmen ermöglichen.“ Das sehr gute Sanierungsergebnisse möglich sind, machte auch Dipl.-Ing. (FH) Serdar Ulutaş, MBA, Leiter Warentest beim Gelsenkirchener Institut für Unterirdische Infrastruktur (IKT) deutlich. Er präsentierte Ergebnisse eines im eigenen Hause entwickelten Warentests zum Thema Schachtsanierung, den das Institut derzeit durchführt.
Auswahl der geeigneten Technik entscheidend
Sollte man Mauerwerkkanäle nur ausbessern oder doch sanieren? Dieser Frage ging Dipl.-Ing. Roland Baum vom Stadtentwässerungsbetrieb Düsseldorf nach. Der langfristige Substanzerhalt der Schlagadern großer Netze und insbesondere der gemauerten Profile sei, so Baum, jedenfalls von großer Bedeutung. Mit Blick auf eine Länge von 160 km in Düsseldorf wirtschaftlich sinnvoll sei nur eine ganzheitliche Betrachtung der Sanierungsabschnitte, zu der auch die Verknüpfung unterschiedlicher Sanierungstechniken zähle.
Über die Auswahl der geeigneten Technik, materialbedingte Ausschlüsse und Einsatzgrenzen bei der Reparatur von Kunststoffleitungen und -schächten referierte Dipl.-Ing. Andreas Haacker, Siebert + Knipschild GmbH, Oststeinbek. Haacker machte deutlich, dass der Erfolg einer Reparatur wesentlich von der fachgerechten Ausführung abhängt. Dazu gehöre auch, grundsätzlich zu beachten, dass man es bei Kunststoff mit einem relativ dünnwandigen Werkstoff zu tun habe. Ursache für mangelhafte Ergebnisse sei oft eine nicht haftende Verklebung sowie eine nicht fachgerechte Ausführung der Arbeiten. „Das Material des schadhaften Systems und die Ursache der Beschädigung bestimmen die Wahl des Verfahrens“, so Haackers Fazit.
Gelungene Premiere
Im Anschluss an die Mittagspause folgte dann die Premiere: Die erstmals ins Programm aufgenommenen Vorführungen, die aufgrund der hohen Teilnehmerzahl in zwei Durchgängen präsentiert wurden, boten geballtes Know-how mit hohem Praxisbezug. Die Kombination aus theoretischem Vortrag und anschließender Umsetzung des Gehörten in der Praxis kam bei den Besuchern des Reparaturtags jedenfalls gut an. Dementsprechend stolz war Mitveranstalter Hippe auf die enge Verzahnung der verschiedenen Programmbestandteile: „Es gibt genug Veranstaltungen, bei denen Vorträge und Vorführungen nichts miteinander zu tun haben – bei uns ist das anders, denn die in Block II behandelten Themen finden sich unmittelbar im Anschluss auch in Praxisblock III wieder“, erläuterte Hippe das Konzept. Gleichzeitig betonte er noch einmal, dass Programmpunkte wie diese ohne das Engagement der beteiligten Firmen nicht möglich seien.
In Troisdorf präsentierte die Fleer-Tech GmbH ihr KS-ASS-Verfahren für die Schachtbeschichtung und unter dem Motto „Sanierungstechnik zum Anfassen“ nahm die IBAK Helmut Hunger GmbH & Co. KG Fräsarbeiten am Kanalrohr vor. Und während es bei der Kuchem GmbH um „KaTe Sanierung, Kurzliner, Handlaminat Inliner/Schacht-Stutzen“ ging, demonstrierte die KATEC Kanaltechnik Müller & Wahl GmbH das Fräsen und Spachteln von Zuläufen und Rissen am Ausstellungsrohr. Darüber hinaus zeigte die RELINEROBOTICS GmbH einen elektrischen Fräsroboter im Betrieb, bei der Vorführung der Umwelttechnik Franz Janßen GmbH standen die Injektionsverfahren Janssen Process und Janssen Light im Blickpunkt.
Plannung, Ausschreibung und Ausführung
Mit planerischen und ausschreibungstechnischen Aspekten der Kanalsanierung setzte sich Block IV „Planung, Ausschreibung und Ausführung“ auseinander. Er begann mit einer Betrachtung der Vor- und Nachteile verschiedener Sanierungsverfahren sowie der jeweiligen Risiken und Anwendungsgrenzen durch den Referenten Dipl.-Ing. Roland Wacker vom Ingenieurbüro Wacker, Auenland. „Welches Verfahren bei welchem Schaden?“ Diese Frage lasse sich nicht pauschal beantworten – war sich Wacker sicher. Auch das ideale, universell einsetzbare Verfahren gebe es nicht. Die richtige Auswahl hängt sowohl vom Schadensbild ab als auch von den speziellen Gegebenheiten der Kanalhaltung sowie der Umgebungssituation. Um den Schaden sowie die Eignung des zur Behebung in Frage kommenden Verfahrens zu beurteilen und vernünftige Ausschreibungsunterlagen zu erstellen, seien deshalb profunde Technikkenntnisse gefragt.
Dass darüber hinaus auch der Auswahl des richtigen Baupartners große Bedeutung zukommt, stellte Rechtsanwalt Carsten Schmidt LL.M., CLP Rechtsanwälte, Düsseldorf, dar. „Jeder Auftraggeber bekommt den Bieter, den er verdient“, lautete der programmatische Titel seines Vortrags. Schmidt thematisierte populäre Irrtümer und Fallstricke aus der Praxis, ging auf Präzedenzfälle und gerichtliche Entscheidungen ein und erläuterte Ermessensspielräume und deren Grenzen. „Öffentliche Auftraggeber haben es selbst in der Hand, den Bieter zu finden, der sowohl preislich als auch qualitativ ansprechend ist“, so sein Fazit. Das Vergaberecht biete insbesondere durch die Festlegung der Zuschlagkriterien die Möglichkeit, leistungsbezogene Aspekte bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes einzubeziehen.
Wunsch und Wirklichkeit
Doch das sind noch nicht alle Bausteine, die für den erfolgreichen Abschluss einer Reparaturmaßnahme von Bedeutung sind. „Ohne eine vollständige, konsequente örtliche Bauüberwachung ist jede noch so gute Planung potenziell zum Scheitern verurteilt“, stellte Dipl.-Ing. (FH) Markus Vogel von VOGEL Ingenieure, Kappelrodeck, im letzten Referat der Veranstaltung unmissverständlich fest. Für den erfahrenen Ingenieur klaffen gerade in diesem Punkt Wunsch und Wirklichkeit oft auseinander. „Der notwendige Umfang der örtlichen Bauüberwachung wird wieder und wieder diskutiert, in Abrede gestellt oder totgeschwiegen. So berichten ausführende Firmen über kaum stattfindende Überwachung oder das Fehlen von Ansprechpartnern: Niemanden interessiert, was da draußen passiert, so der Tenor.“
Vogel erläuterte die für eine örtliche Bauüberwachung erforderlichen Prozessschritte und Dokumentationserfordernisse. Die Honorare für die Durchsetzung der Vertragsforderungen im Zuge der Bauüberwachung seien „nie teuer, sondern höchstens wertvoll“, Maßnahmen ohne eine örtliche Bauüberwachung hingegen führten regelmäßig zu vertragswidrigen Ergebnissen und meist zur Wettbewerbsverzerrung –„es sei denn“, so Vogel, „alle Bieter wissen, dass den Auftraggeber ohnehin nicht interessiert, was getan wird.“
Wichtige Asepkte beleuchtet
In seinem Schlusswort fasste Michael Hippe wesentliche Erkenntnisse der facettenreichen Veranstaltung zusammen und stellte fest, dass insbesondere der neue Programmpunkt „Praktische Vorführungen“ den Nerv der Anwesenden getroffen habe. Zufrieden zeigte sich der Vorstandsvorsitzende des VSB mit der für ihn gelungenen Mischung aus Praxis und Theorie. Die Vorträge hätten gezeigt, wie schwierig die Beurteilung des Einzelfalles und des jeweils geeigneten Verfahrens sei: „Wo kann ich eine Sanierungsstelle von innen entsprechend beheben, wo muss ich aufmachen – diese Frage stellen wir uns täglich, und wenn man drei Bearbeiter fragt, bekommt man gegebenenfalls auch drei Antworten.“
Darüber hinaus habe der Tag deutlich gemacht, dass sich die Grenzen zwischen Reparatur und Renovierung teilweise verwischen. Entscheidend sei das Einbringen von Qualitätsaspekten in die Ausschreibung, um letztlich auch einen gewissen Handlungsspielraum zu haben. Zum Thema Bauüberwachung – „einem nach wie vor ungeliebten Kind“ – sei anzumerken, dass man „von vorn herein das richtige Verfahren wählen, vernünftig ausschreiben, eine vernünftige Firma beauftragen und die auch entsprechend überwachen“ müsse. Nur so ließen sich Reparaturergebnisse erzielen, die, wenn auch nur für einen begrenzten Zeitraum, tatsächlich die erforderliche Sicherheit böten. „Es rächt sich irgendwann, wenn man an der falschen Stelle spart“, so Hippe.
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