Geographische Informationssysteme (GIS) - ein modernes Werkzeug der europäischen Wasserwirtschaft
18.01.2006
In der Wasserwirtschaft setzen sich durch die Verabschiedung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL) zunehmend interdisziplinäre Denk- und Lösungsansätze durch.
Im Sinne eines umfassenden Flussgebietsmanagements dürfen wasserwirtschaftliche Fachthemen nicht mehr losgelöst voneinander gesehen werden, sondern müssen als Ganzes in ihrer Wechselwirkung zueinander betrachtet werden. In Europa werden wir uns auf die weit reichenden Anforderungen und Veränderungen der EU-WRRL einzustellen haben. Die Nutzbarmachung vorhandener Technologien ist Herausforderung und Chance zugleich.
Zur Erreichung der Ziele der EU-WRRL ist die Entwicklung und die Anwendung geobasierter Informationssysteme in der Wasserwirtschaft und die Organisation des Datenaustausches mittels Internettechnologie daher unverzichtbar.
Dies erfordert neben einem effizienten internen Datenmanagement auch den Daten- und Informationsaustausch mit externen Körperschaften der Wasserwirtschaft. Es gilt, ein wasserwirtschaftliches Netzwerk zu organisieren. Der Wupperverband setzt zu diesem Zweck auf moderne Kommunikations- und Informationstechnologien und betreibt im Internet das digitale FlussGebietsGeoinformationsSystems FluGGS (http://www.FluGGS.de). Der Aufruf des Systems erfolgt über einen Standard-Internet-Browser (Bild 1).
2 Entwicklung und Aufgaben des Wupperverbandes
Die Einstellung des Menschen zum Gewässer unterlag in den letzten zwei Jahrhunderten ei-nem starken Wandel. Wurden Gewässer zu Beginn der Industrialisierung als reine Nutzobjekte angesehen, erkannte man bald die daraus resultierenden Probleme.
Noch Anfang des 19. Jahrhunderts war die Wupper so reich an Lachsen, dass ein Verbot erlassen werden musste, den Dienstboten nicht mehr als fünf mal pro Woche Lachs vorzusetzen. Die Umweltprobleme durch die Industrialisierung führten jedoch rasch dazu, dass 1841 der letzte Lachs in der Wupper gefangen wurde.
Trinkwasserknappheit und schlechte Trinkwasserqualität führten schließlich 1891 im Einzugsgebiet der Wupper zum Bau der ersten Trinkwassertalsperre in Deutschland. Das Talsperrenzeitalter war eingeleitet und 1930 trat das Wuppergesetz zur Gründung des Wupperverbandes in Kraft.
Der Wupperverband – einer der sondergesetzlichen Wasserwirtschaftsverbände in Nordrhein-Westfalen – ist für die Bewirtschaftung von ca. 2300 km Gewässer im Einzugsgebiet der Wupper und für die Reinigung der Abwässer von 1,5 Mio. Einwohnern bzw. Einwohnergleichwerten zuständig. Seit 75 Jahren konzentriert sich der Verband auf die Bewirtschaftung des Einzugsgebiets eines Flusses, eine durch die EU-WRRL bestätigte, moderne Sichtweise der Wasserwirtschaft.
Die Hauptaufgaben, die der Wupperverband im Rahmen seines Flussgebietsmanagements (FGM) unter dem ganzheitlichen und nachhaltigen Gesichtspunkt führt, sind die Abwasserrei-nigung durch den Betrieb von elf Klärwerken, der Hochwasserschutz und die Niedrigwasser-auffüllung der Gewässer u.a. durch den Betrieb von neun Talsperren, die Bereitstellung von Trinkwasser durch die "Große-Dhünn-Talsperre" – eine der größten Trinkwassertalsperren in Deutschland – sowie die Unterhaltung und die ökologische Entwicklung der Flusssysteme.
Mit ingenieurtechnischen Mitteln versuchte man früher zunächst, der Problematik der zunehmenden Gewässerverschmutzung, der vermehrt auftretenden Überschwemmungen etc. zu begegnen: Bauten im und am Gewässer entstanden. Heute sind die Grenzen einer ausschließlich bautechnisch orientierten Wasserwirtschaft nahezu erreicht. Eine ganzheitliche, ursachen-bezogene und stärker immissionsorientierte Wasserwirtschaft ist gefordert, damit Gewässer auf Dauer genutzt werden können, ohne aber über ein unverhältnismäßig hohes Maß hinaus beansprucht zu werden.
Im Zuge des Flussgebietsmanagements werden sowohl beim Verband als auch bei den Mitgliedern wertvolle Geodatenbestände erhoben, deren gemeinsame Nutzung von großem Interesse ist.
Das Inkrafttreten der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL) am 22.12.2000 stellt die Wasserwirtschaft heutzutage vor neue Herausforderungen.
Die prägenden Elemente der Richtlinie wie:
- die Forderung von Maßnahmenprogrammen und Bewirtschaftungsplänen
- die Forderung einer ganzheitlichen und nachhaltigen Flussgebietsbewirtschaftung von den Quellen bis zur Mündung in ein Meer
- die Forderung des guten ökologischen Zustands
- das Verschlechterungsverbot
- die Forderung nach aktiver Beteiligung der "Wasserakteure" (Nutzer eines Gewässers und Interessensgruppen)
- Monitoring / Historisierung der Wasserwirtschaft im Einzugsgebiet
- Rückkopplung der Ergebnisse an die EU (Berichtspflicht)
machen dies deutlich.
Der Einsatz von Geografischen Informationssystemen (GIS) ist dabei durch die Rahmenrichtlinie vorgeschrieben.
Bei der Umsetzung der EU-WRRL sind nach MOSS (1999) jedoch nicht nur inhaltliche sondern auch organisatorische Problemfelder zu überwinden:
- "Problems of fit": Probleme der Inkompatibilität zwischen der zuständigen Organisation und dem betrachteten Flusseinzugsgebiet. Grundthese: Je genauer die Übereinstimmung zwischen der Institution und ihrem räumlichen Gegenstand, desto wirksamer ist die In-stitution.
- "Problems of interplay": Probleme der Interaktion zwischen verschiedenen Organisatio-nen bei sich überschneidenden oder in Abhängigkeit stehenden Aufgaben. Grundthese: Die Effektivität einer Institution ist nicht nur von ihrer inneren Eigenschaft, sondern auch von dem Zusammenspiel mit anderen Institutionen anhängig.
- "Problems of scale": Probleme der Übertragbarkeit von Erkenntnissen auf andere räum-liche Ebenen. Grundthese: Die Übertragbarkeit von Erkenntnissen auf andere räumliche und zeitliche Ebenen ist nur dann effektiv, wenn die besondere Funktionsweise und Le-gitimität lokaler und regionaler Institutionen ausreichend berücksichtigt wird.
4 Das Geographische Informations-System im Wupperverband
– Strategisches Werkzeug für ein effektives Flussgebietsmanagement im Kontext der EU - WRRL
Die EU-WRRL bedeutet für den Wupperverband im Prinzip keine neue Ausrichtung seiner Wasserwirtschaft, sondern eher eine Bestätigung seines bisherigen Handelns, das durch die Verankerung in den europäischen Kontext einen höheren Stellenwert erhält. Für den Verband heißt es weiterhin:
- den Fluss, die Nebenbäche, die Ufer und Auen, also das gesamte Einzugsgebiet, als Ganzes zu betrachten
- übergreifend zu denken: Einzelprozesse und -belange müssen im Gesamtzusammenhang der Wasserwirtschaft untersucht werden
- über kommunale Grenzen und verschiedene Zuständigkeiten hinweg gemeinsam zu planen, abzustimmen und zu optimieren
- Maßnahmen in verschiedenen Bereichen aufeinander abstimmen, um bei optimalem Einsatz der verfügbaren Ressourcen den größtmöglichen Nutzen für die Umwelt zu erzielen.
Das Auskunftssystem informiert über die Lage der Objekte des Wupperverbandes. Ziel ist aber nicht nur die Beantwortung der Frage "wo ist?", sondern die Bereitstellung eines Maximums an Information. Die Frage "was ist außerdem noch dort?" hat beispielsweise für Stand-ortplanungen eine hohe Bedeutung. Darüberhinaus soll die digitale Karte als Portal zu Betriebsinformationen entwickelt werden, d.h. Informationen zu Objekten sollen über die Karte erreichbar sein. Dies können abfragbare Attribute wie das Volumen eines Regenbeckens sein, aber auch Zeichnungen, Pläne oder Genehmigungsunterlagen können als Link hinterlegt wer-den. Der Zugriff auf Messreihen soll über das GIS-Portal realisiert werden.
Um eine hohe Integration von Geometrien, sog. "Sachdaten" und weiteren Betriebsinfor-mationen zu erreichen, setzt der Wupperverband auf die Ablage der Geometrien in einer Oracle-Datenbank. Für die Datenpflege wird deshalb künftig die ArcGIS-Produktfamilie von ESRI eingesetzt. Die Anbindung der Zeichnungserstellung mit CAD an die Geometrien in der Datenbank ist vorgesehen.
Mit der Mapservice-Technologie ist es erstmals technisch möglich, Benutzern eine Sicht auf die eigenen Geodaten zu erlauben, ohne ihnen die Daten selbst zu übergeben. Nicht mehr Datenaustausch wird in Zukunft das Thema sein, sondern Informationsaustausch über das Netz. Der Benutzer, der mit seinem Browser einen Mapservice anwählt, erhält den aktuellen Stand der Information, wie er dort auf dem Server vorliegt. Der Datenbestand wird nicht zum Benutzer überführt und kann deshalb dort auch nicht veralten. Stattdessen erhält der Benutzer lediglich die von ihm angefragten Informationen aktuell geliefert.
Der Vorteil dieser innovativen Technologie ist offensichtlich. Das Nutzungspotenzial wertvoller Geodaten vervielfacht sich. Doppelte Datenhaltung bei unterschiedlichen Institutionen wird vermieden. Arbeitszeit, die bisher für zeitaufwändige Datenrecherchen und Datenmigration verloren ging, kann nun ungleich effektiver eingesetzt werden.
Damit werden auch neue Formen der Kooperation sowohl möglich wie auch notwendig. Nach dem Prinzip "Schau du auf meine Daten, ich schaue auf deine Daten" arbeitet der Wupperverband seit dem Jahr 2000 gemeinsam mit der Stadt Wuppertal in einem deutschlandweit ersten Praxisprojekt zu dieser Thematik zusammen. Mittlerweile ist der Verband mit weiteren Institutionen, u. a. mit dem Rheinisch-Bergischen Kreis, vernetzt. Der Einstieg der Wuppertaler Stadtwerke in das Geodatennetzwerk ist realisiert. Aber auch kleinere Kommunen oder sons-tige Institutionen, die keine eigene umfangreiche GIS-Infrastruktur aufbauen können oder wollen, werden von diesem Netzwerk partizipieren: Beispielsweise können Daten solcher Institutionen aufgearbeitet, in einen Kartendienst integriert und via Internet (passwortgeschützt) der jeweiligen Institution zur Verfügung gestellt werden. Bereits heute fungiert der Verband als "Service Provider" für verschiedene Institutionen und wird diese Funktion in Zukunft weiter ausbauen.
Zusätzlich stellt der Wupperverband über seine Tochter - der Wupperverbandsgesellschaft für integrale Wasserwirtschaft mbH (WIW) Consulting und Unterstützung beim Aufbau von Verbandsstrukturen, Flussgebietsmanagement-Strukturen, Wassermanagement zur Verfügung. Für Ingenieurleistungen ist der Verband über die Erfahrungen mit den Prozesszyklen Planen, Bauen, Betreiben und Optimieren von Anlagen im weiten Spektrum der Wasserwirtschaft ansprechbar.
Moss, T. (1999): Die EU-Wasserrahmenrichtlinie als Beispiel eines Institutionenwandels: Forschungsbedarf und Erklärungsansätze aus politik- und raumwissenschaftlicher Sicht. In: Horsch, H., Messner, F., Kabisch, S. und Rode, M. (Hrsg.) Flußeinzugsgebietsmanagement und Sozioökonomie. Konfliktbewertung und Lösungsansätze. UFZ-Bericht Nr.30/1999, S. 137-146.
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