Heizen und Kühlen mit Abwasser - ein neuer Markt für Deutschland

10.12.2005

Die Wärmequelle Abwasser eröffnet dem Markt für Großwärmepumpen neue Chancen, von denen Hersteller, Planer und Energiedienstleister profitieren können. Die Technologie ist erprobt und bei den heutigen Erdölpreisen wirtschaftlich konkurrenzfähig. Das Potenzial ist sehr groß, es liegt alleine in Deutschland bei ungefähr 20.000 Anlagen mit 500 kW. Das würde einem Markt von 30 Mrd. Euro eröffnen. Diesen Markt gilt es aber zuerst zu entwickeln, mit dem Ziel der Wirtschaftsförderung, Arbeitsplatzbeschaffung und CO2-Reduktion. Hier sind Bund und Länder gefordert, rasch Impulsprogramme zu starten, wie es die Schweiz mit Erfolg vormacht. Eine wichtige Grundlage für diese  Marktentwicklung ist die neue Broschüre "Heizen und Kühlen mit Abwasser", ein umfassender Ratgeber für Bauherrschaften und Kommunen zur Umsetzung der innovativen Technologie der Abwasserwärmenutzung.

Die vergessene Wärmequelle Abwasser

Die Wärmepumpe ist im Einfamilienhausbereich bereits weit verbreitet. Bei den Neubauten erreicht ihr Marktanteil in der Schweiz z.B. rund 60%! Da der Einsatz in größeren Überbauungen direkt zu einem größeren Auftragsvolumen führt, liebäugelte die Branche schon lange mit einem Aufschwung der Großwärmepumpe. Doch es mangelte meist an der verfügbaren Wärmequelle. Da erinnerte sich plötzlich ein kluger Kopf an eine Anlage in Basel, welche die Wärme aus einem nahe gelegenen Abwasserkanal gewinnt und die seit ihrer Geburtsstunde ohne Probleme ihre Dienste leistet. Da solche Kanäle in allen größeren Kommunen vorhanden sind, lässt sich, so war die Idee, die Abwasserwärmenutzung an vielen anderen Orten ebenfalls einsetzen. Initiative Firmen arbeiteten an der Weiterentwicklung der Wärmetauschertechnologie und mit Bundessubventionen wurden weitere Demonstrationsanlagen realisiert.

Entscheidend für die Verbreitung dieser Technologie in der Schweiz aber war, dass der Bund ein Impulsprogramm startete. Dabei wurde von spezialisierten Gutachtern zunächst das Wärmepotenzial der Kläranlagen ermittelt, in den entsprechenden Gemeinden geeignete Standorte eruiert, Machbarkeitsstudien finanziell unterstützt und die (privaten oder öffentlichen) Bauherrschaften aktiv angegangen und beraten. Anfänglich wurden auch an die Investitionen der Anlagen Finanzbeiträge ausgerichtet, die in den letzten Jahren aber zurückgenommen wurden. Der Erfolg dieses Programmes blieb, trotz bescheidenem Budget, nicht aus; in der Schweiz stehen heute rund 50 Großwärmepumpen mit Abwasserwärme in Betrieb. Jährlich werden Dutzende neue Projekte ausgelöst.
Marktpotenzial

Im Abwasser steckt eine enorme Wärmemenge, mit der Gebäude mittels Wärmepumpen beheizt - und auch gekühlt - werden können. In Nordrhein-Westfalen könnten mit der Wärme im Abwasser 5 Prozent aller Gebäude beheizt werden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Instituts für Unterirdische Infrastruktur (IKT) in Gelsenkirchen und des Instituts "Energie in Infrastrukturanlagen" in Zürich im Auftrag des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (MUNLV). Bestätigt werden diese Zahlen durch die Erfahrungen in der Schweiz. Werden diese Erkenntnisse auf ganz Deutschland hochgerechnet, so ergibt sich ein realisierbares Potenzial von rund 20.000 Anlagen mit durchschnittlich 500 kW. Das entspricht einem Investitionsvolumen von rund 10 Mrd. Euro. Erfahrungsgemäß werden solche Anlagen häufig im Contracting realisiert, so dass sich hier insgesamt ein Markt von ungefähr 30 Mrd. Euro entwickeln könnte.
Einsatzmöglichkeiten

Voraussetzung für einen wirtschaftlichen Einsatz der Abwasserwärmenutzung sind größere Bauten mit mehr als 150 kW Wärmeleistungsbedarf in der Nähe von geeigneten Kanälen, also Verwaltungsgebäude, Wohnsiedlungen, Gewerbebauten, Heime, Schulen und Sportanlagen. Besonders günstig ist, wenn es sich um Neubauten handelt oder die Gebäude gekühlt werden müssen. Im Kanal ist ein Abwasserdurchfluss von mindestens 15 l/s erforderlich (Mittelwert bei Trockenwetter) und ein Durchmesser von mehr als 60 - 80 cm. Geeignete Standorte sind in Gemeinden mit mehr als rund 10.000 Einwohner häufig zu finden, wie die erwähnte Studie in NRW gezeigt hat. Wichtig ist, dass bei einem Projekt bereits frühzeitig das Gespräch mit dem Kanal- und Kläranlagenbetreiber gesucht wird. Ein Wärmeentzug hat aber keinen negativen Einfluss auf den Kläranlagen- und Kanalbetrieb, wenn dieser fachgerecht geplant wird, wie eine DBU-Studie zeigt.
Tabelle 1: Potenzial für Energierückgewinnungsanlagen in den Kommunen in Deutschland

Größe der Kommune 15.000
Einwohner
30.000
Einwohner
100.000
Einwohner
500.000
Einwohner
Anzahl realisierbare Anlagen
(à 500 kW)
2 5 28 243
Ausgezeichnete Ökobilanz

Wärmepumpen arbeiten mit der Energierückgewinnung aus Abwasser besonders effizient, da Abwasser auch im Winter günstige Temperaturen aufweist (10°C bis 15°C). Dadurch kann der Primärenergie- sowie der CO2-Aufwand gegenüber einer Erdölheizung halbiert werden. Auch bei einer gesamtökologischen Betrachtung schneidet die Abwasserenergieanlagen (Basis: Strom aus Gasdampfkraftwerken) um Faktor 2 besser ab als Öl- und Gasheizungen bzw. herkömmliche Klimaanlagen, wie eine wissenschaftliche Studie an einer konkreten Anlage in Zürich mit der Methode Ecoindicator'99 aufzeigt. Abwasserwärmepumpen leisten damit einen wesentlichen Beitrag an den Klimaschutz und an die Luftreinhaltung in Städten und Gemeinden.
Für kommunale Bauten besonders geeignet

Nicht nur in der Schweiz oder in Oslo zeigen Anlagen, das die Abwasserwärmenutzung erprobt ist. Auch in Waiblingen bei Stuttgart versorgt eine Abwasserwärmepumpe seit 20 Jahren zuverlässig und sicher einen Wärmeverbund mit diversen Verwaltungs- und Schulbauten sowie einem Hallenbad.

Die erste moderne Anlage zur Energierückgewinnung aus Rohabwasser steht seit zwei Jahren in der Stadt Singen am Hohentwiel in Betrieb. Sie liefert Raumwärme und Klimakälte für das Gründer- und Technologiezentrum SinTec mit 4000 m2 Geschoßfläche. Die Idee, die eigene Energiequelle Kanalabwasser vor Ort zu nutzen, stiess auf derart große Zustimmung, dass nun sogar bei zwei weiteren Neubauten der Einsatz geprüft wird: bei der Stadthalle und dem 67 m hohen "Hegau-Tower" - ein Glasturm des Amerikanischen Stararchitekten Helmut Jahn. Auslöser dieser ganzen Entwicklung war die Aufgeschlossenheit der Stadtväter und des Klärmeisters, die Erfahrungen aus der nahen Schweiz zu prüfen und zu nutzen.

Nicht zuletzt verfügen die Kommunen mit ihren eigenen Bauten vielfach über günstige Voraussetzungen für den Einsatz einer Abwasserenergieanlage. Damit können sie ihr Image und den Wirtschaftsstandort der Gemeinde fördern. Durch eine systematische Ermittlung geeigneter Standorte, insbesondere an den eigenen sowie an Neubaugebieten, kann die Gemeinde aktiv an der Verbreitung dieser umweltfreundlichen Technologie mitwirken.
Erläuterungen zu Abbildung 3:
Die meisten Kommunen mit mehr als 10.000 Einwohnern verfügen über Potenzial zur Energienutzung aus Abwasser.  In der Abbildung 3 ist violett eingezeichnet das "Prioritätsgebiet für Wärmenutzung aus Abwasser" entlang von Hauptsammelkanälen (blau) und in der Umgebung der Kläranlage. Rot schraffiert das Gasversorgungsgebiet, wo Wärmepumpen mit Blockheizkraftwerken kombiniert werden können.
Wirtschaftlich konkurrenzfähig

Die Abwasserwärmenutzung ist konkurrenzfähig. Zu diesem Schluss kommt das Bundesamt für Energie in der Schweiz aufgrund einer Überprüfung der Daten einer realisierten Anlage in Binningen, einem Vorort von Basel. Die gesamten Gestehungskosten für Verzinsung und Amortisation der Investitionen, für den Energieaufwand der Wärmepumpe und die bivalente Spitzenheizung sowie für Unterhalt und Betrieb liegt bei 6 Cent pro kWh. Das ist durchaus vergleichbar mit den Kosten einer Ölheizung, wenn die Kapitalkosten und Unterhalt ebenfalls berücksichtigt werden. In Deutschland sieht die Situation ähnlich aus, wie eine Forschungsarbeit der DBU ausgeführt von Energieconsulting Stodtmeister aus Berlin in Zusammenarbeit mit dem Institut "Energie in Infrastrukturanlagen" an einem Dutzend konkreter Objekte zeigt. Bei entsprechenden Voraussetzungen lagen die Gestehungskosten der Abwasserwärmenutzung bei den effektiven Energiepreisen an diesen Orten vor einem Jahr noch um wenig über denjenigen der konventionellen Heizungen. Bei den heutigen Erdölpreisen sind die Abwasserenergieanlagen bereits konkurrenzfähig und zum Teil sogar wirtschaftlicher. Dabei handelt es sich um Anlagen zwischen 0,1 bis 2 MW, um Neubauten und bestehende Gebäude mit Heizungssanierungen, um Schul-, Sport-, Wohn oder Gewerbebauten, die zwischen 100 m und 400 m von einem geeigneten Kanal entfernt liegen.
Initialisierungsprogramm zur Markterschliessung

Die Verbreitung der Abwasserwärmenutzung mit Großwärmepumpen hat enorme Vorteile:
  • zur Ankurbelung der Wirtschaft,
  • zur Schaffung von Arbeitsplätzen,
  • zur Erreichung der Energie- und Klimaziele.
Das sind Gründe genug, dass Bund und Länder die Marktentwicklung aktiv zu fördern. Die Erfahrungen in der Schweiz zeigen, dass es ohne ein solches Impulsprogramm nicht geht. Das erfolgreiche Programm in der Schweiz basiert auf folgenden Pfeilern:
  • Ermittlung der nutzbaren Wärmepotenzial der Kläranlagen ab 10.000 Einwohnerwerten
  • Ermittlung geeigneter Standorte in den ausgewählten Gemeinden
  • Abklärung der Machbarkeit an diesen Standorten durch Fachleute
  • Information und Beratung der betroffenen Bauherren
  • Anfrage von Contracting-Offerten oder Durchführung von Vorprojekten durch Bauherr in eigener Regie
Die Realisierung von solchen Anlagen hat aus drei Gründen eine sehr hohe Chance. Die Anlagen sind populär, wirtschaftlich konkurrenzfähig und die Finanzierung lässt sich über ein Contracting lösen. Der Contractor übernimmt die Finanzierung der Anlage, plant und betreibt sie mit Fachpersonal. Der Bauherr bezahlt jährlich den vereinbarten Wärmepreis. Verschiedene Firmen, v.a. EVU, bieten in Deutschland ein Contracting an. In der Schweiz sind Contracting-Anfragen für Abwasserwärmepumpen inzwischen hart umkämpft. Manche Schweizer Contractoren drängen nun auch auf den Deutschen Markt.

Die Ausgangslage ist also gegeben, um mit relativ bescheidenen Mitteln für ein Impulsprogramm einen riesigen Markt zu entwickeln. Als Leiter des Umsetzungsprogrammes in der Schweiz, als Projektleiter der neuen Broschüre, als Planer von Anlagen und Gutachter in der Schweiz und Deutschland verfügt unser Team auch über die notwendige Erfahrung und Fachkompetenz, um in den Deutschen Ländern den Markt zu entwickeln und konkrete Projekte zu realisieren. Packen wir's an.
Institut "Energie in Infrastrukturanlagen"

Das Institut "Energie in Infrastrukturanlagen" weist umfassende Erfahrungen zum Thema Energierückgewinnung aus Abwasser auf. Zielpublikum für Grundlagenarbeiten, Impulsprogramme, Informations-, PR- und Ausbildungsprogramme sind Bund, Länder und Kommunen sowie EVU. Zielpublikum zur Ermittlung geeigneter Standorte, zur Planung von Anlagen und für spezifische Fachfragen sind Stadtwerke, städtische Bauämter, Bauträger, Ingenieure und Contractoren.

Weitere Geschäftsbereiche sind die Energie- und Kostenoptimierung in den Bereichen Wasserversorgung, Kläranlagen und Müllverbrennungsanlagen. Arbeitsschwerpunkte sind dabei die Beratung von Bundesländern und Ministerien sowie die Begleitung von Kommunen und Stadtwerken bei der Realisierung von Pilot- und Demonstrationsanlagen als neutrale Gutachter.

Kontakt:
Ernst A. Müller, Dipl. Univ. Geograf, Institutsinhaber
Felix Schmid, Dipl. Energieingenieur FH, Kommunikation.
Institut Energie in Infrastrukturanlagen
Lindenhofstrasse 15
CH-8001 Zürich
Schweiz
Tel. 0041 44 226 30 98
Fax 0041 44 226 30 99
Mail: energie@infrastrukturanlagen.ch
Internet: www.infrastrukturanlagen.ch


Broschüren zum Thema

Zwei neue Broschüren der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, des Bundesverbandes Wärmepumpen e.V. und des Institutes "Energie in Infrastrukturanlagen" informieren zum Thema Heizen und Kühlen mit Abwasser:
  • Ratgeber für Bauherrschaften und Kommunen. 32 Seiten, Bezug: Bundesverband Wärmepumpe e. V., Elisabethstr. 34, 80796 München, Tel. 089 2781 34 18, info@waermepumpe-bwp.de
  • Ratgeber für Ingenieure und Planer, 26 Seiten, Bezug: Download unter www.infrastrukturanlagen.ch

Kontakt

Ernst A. Müller, Felix SchmidInstitut Energie in Infrastrukturanlagen

8001 Zürich, Schweiz

Telefon:

0041 44 226 30 98

Fax:

0041 44 226 30 99

E-Mail:

energie@infrastrukturanlagen.ch