Kanalsanierung - 'Markt und Recht' in der Grundstücksentwässerung

20.02.2006

Unter diesem Motto trafen sich in der Gemeinde Saerbeck an der Grenze zwischen dem Münster- und Tecklenburger Land, rund 50 Fachleute aus dem Bereich der Grundstücksentwässerung. Veranstaltet wurde dieses Praxisforum von der Unita Dienstleistungsgruppe in Kooperation mit dem Güteschutz Kanalbau e.V., der Saertex multicom GmbH, dem VBI Landesverband NRW und dem Verband der Sanierungsberater für Entwässerungssysteme e.V. (VSB).

Nach der Begrüßung durch Herrn Herbert Blesgen von Güteschutz Kanalbau erläuterte der Unternehmensberater Dipl.-Ing., Dipl.-Wirtsch.-Ing. Karl-Heinz Seidel die Zwänge, die sich aus der Tätigkeit als Dienstleister mit privaten Grundstückseigentümern als Auftraggebern ergeben.
Aus Sicht der Abwasserentsorger und Kommunen sowie auch der gewerblichen Wirtschaft aber auch der Kunden und privaten Anschlussnehmer schilderte er die Problematik der undichten Grundstücksentwässerungsanlagen (GEA). Auf welchem spannenden Terrain sich dieses Thema bewegt, wurde allen spätestens bei der Erläuterung der rechtlichen Grundlagen bewusst. Neben den Bundes- und Landeswassergesetzen (WHG, LWG´s), einer Reihe landesspezifischer Verordnungen, den europäischen und deutschen Normen (DIN EN 752, DIN 1986-T30, etc.) sowie den Richtlinien und Empfehlungen (ATV M 143, etc.), spielen die örtlichen Satzungen eine entscheidende Rolle.
Niemand darf offene Türen erwarten. Schließlich ist die Umsetzung des §45 BauO NRW bzw. die Dichtheitsprüfung gem. DIN 1986 unpopulär und kostet dem Bürger Geld.

Karl-Heinz Seidel hebt allerdings hervor, dass die Notwendigkeit der dichten GEA besteht. Schließlich kann davon ausgegangen werden, dass weit mehr als 50% der Grundstücksentwässerungsanlagen undicht sind.

Er sieht, bei einer geschätzten Länge von rd. 1,2 Millionen Metern erdverlegter Grundstücksentwässerungsleitungen, allerdings auch eine große Chance und einen Markt für viele Dienstleister. Dieses ist bei einer Investitionssumme zwischen 15 und 40 Mrd. Euro allerdings kein Wunder.

Seit einigen Jahren wird von den Gebäudeversicherern dieses Risiko bei Neuverträgen ausgeklammert oder nur durch Zusatzvereinbarungen - und natürlich auch Zusatzkosten abgesichert.

An den Kosten der Inspektion und Sanierung können die Versicherungen je nach individueller Vertragsgestaltung beteiligt werden. Nach Aussage von Herrn Karl-Heinz Seidel sind bei Neuverträgen, die um das Jahr 1999 angeschlossen worden sind, die Grundstücksentwässerungsleitungen nur in Ausnahmefällen automatisch im Versicherungsschutz enthalten.

Der einzelne Grundstücksbesitzer stellt sich auch die Frage, ob eine Inspektion überhaupt erforderlich ist und ob Konsequenzen zu befürchten sind.

Hier gibt der Gesetzgeber eindeutige Antworten in den Wassergesetzen des Bundes und der Länder (WHG/LWG) sowie dem Strafgesetzbuch (StGB §324 ff).

Anhand einer Grafik macht der Unternehmensberater Karl-Heinz Seidel deutlich, welche Einflüsse auf den Kunden (Grundstückseigentümer) einwirken.
Klar ist auch, dass die Kosten hierbei eine dominante Rolle spielen. Doch wie kann zwischen Notwendigkeit und Kosten das Optimum herausgeholt werden? Auch da macht Karl-Heinz Seidel Vorschläge, die einen Nutzen für den Kunden und den Anbieter darstellen. Bei der Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben hat der Kunde eindeutig einen greifbaren Nutzen, wenn er kompetente Ansprechpartner findet, den Kostenrahmen frühzeitig kennt, die fachliche und organisatorische Koordination nicht übernehmen muss.

Dieses ist möglich, wenn die Managementfunktion der Kommune oder dem Netzbetreiber übertragen wird. Die nutzbaren Synergieeffekte bei der Ausschreibung und Abwicklung mehrerer Grundstücke in einer Maßnahme ermöglichen einen größeren Bau-Umfang, frei wählbare Arbeitsabläufe, besser Planung und Auslastung der Ressourcen (Mitarbeiter u. Technik).

Nach Aussage von Karl-Heinz Seidel entwickelt sich der Markt zunehmend besser. Jedoch wird es in den nächsten Monaten erforderlich sein, die eigene Leistung durch gezieltes Marketing und Beratung der Kunden anzupreisen.
Auf die besondere Situation der Grundstücksentwässerung übertragen bedeutet das, dass die Substanz und Werterhaltung der Gebäude im Mittelpunkt bei jeder Art der Sanierung stehen sollte. Und somit nicht der Geiz das Sanierungsverfahren bestimmen sollte sondern der Fach- und Sachverstand.

Dipl.-Ing. Marco Schlüter vom IKT - Institut für Unterirdische Infrastruktur in Gelsenkirchen stellt im zweiten Vortrag des Nachmittages die derzeit aktuellen, dem IKT Warentest unterzogenen Systeme zur Reinigung und Inspektion von Grundstücksentwässerungsanlagen (GEA) vor.
Auch Marco Schlüter stellt die Schwierig- und Unwägbarkeiten bei der Vorgehensweise Anhand der Pilotprojekte Billerbeck und Würselen dar und verdeutlicht, dass ein klarer Handlungsfaden, Fachkompetenz und der Rückhalt in der Politik die Umsetzung erleichtern und die Akzeptanz bei den Bürgern wesentlich erhöhen.

Anhand von Fotos aus der Praxis werden unterschiedliche Möglichkeiten der Schadensbehebung veranschaulicht.

Natürlich gehört zu einer Sanierung auch die Qualitätskontrolle. Diese wird zum Beispiel beim IKT als zugelassenes Prüfinstitut durchgeführt und spielt eine wesentliche Rolle für die Langlebigkeit und Wirtschaftlichkeit der Sanierung.

Von Dipl.-Ing. Rolf Rehling (GEKO-GmbH. Schwerte) wird das "Modell Schwerte" vorgestellt. Es zeigt auf, dass bei einem Zusammenspiel von allen Beteiligten eine effiziente und für die Bürger kostengünstige Umsetzung erfolgen kann. Da die Stadt Schwerte fast gänzlich im Wasserschutzgebiet liegt, ist ein rasches und besonnenes Handeln erforderlich.
In der Stadt Schwerte bezieht der Bürger die Versorgungsleistungen wie Strom, Gas, Wasser und Kommunikationsdienstleistungen von nur einem Partner – den Stadtwerken Schwerte.

Die Entsorgung erfolgt derzeit durch Stadt bzw. die Stadtentwässerungsgesellschaft. Im Modell findet durch die Stadtwerke eine Bündelung der Kräfte statt, die die Grundstücksentwässerung mit den Bedürfnissen aus der Versorgung zusammenbringt.

Laut Rolf Rehling führt das "Modell Schwerte" dazu, dass Konzepte zur Umsetzung des §45 BauO NRW immer unter dem ganzheitlichen Sanierungsbedarf gesehen werden können. Eine Kooperation der Beteiligten Ver- und Entsorger, Fachbüro und der zahlende Bürger mit den Stadtwerken Schwerte ist das Herzstück des Modells. Die s. g. Synergieeffekte können genutzt und dem Bürger in Form von Qualität und Wirtschaftlichkeit zurückgegeben werden.
Eine fachliche Überforderung der Bürger wird dadurch vermieden, dass für das gesamte Stadtgebiet die Organisation und Abwicklung durch die Stadtwerke bzw. einem Fachbüro übernommen wird.

"Jeder kommt in den nächsten Jahren dran und kann sich, da ein Konzept vorliegt, auch zeitlich darauf einstellen."

Wichtig ist, dass die Umsetzung in zusammenhängenden Abschnitten erfolgt. Das Sanierungskonzept verteilt die Aufgaben über den vereinbarten Zeitraum und ermöglicht so eine kontinuierliche Planung und Umsetzung. Hierdurch werden erhebliche Kostenpotentiale eingespart, die bei einzelnen Maßnahmen für die verhältnismäßig aufwendige Baustelleneinrichtung, Verkehrssicherung und Allgemeinkosten "draufgehen".
Die Zielsetzung des Modells Schwerte, so Rolf Rehling, beruht also auf einem integrativen Ansatz. Hierbei erfolgt die Sanierung von privaten Abwasserleitungen mit der Erneuerung von Gas-, Wasser- und Stromhausanschlüssen sowie dem gleichzeitigen multimedialen Aufrüstung von Wohn- und Geschäftsgebäuden unter der Gesamtverantwortung der Stadtwerke. Als Partner werden die des örtlichen Handwerksbetriebe mit in die Kooperation eingebunden.
Herr Klaus Bock von der Saertex multicom GmbH erläutert die hohen Anforderungen an die Produktion von GFK-Linern. Bei der anschließenden Werksbesichtigung wird die Produktion ausführlich erläutert. Allen Besuchern war danach klar, welche Anstrengungen und aufwendigen Forschungen hinter diesem qualitativ hochwertigen Produkt stecken. So werden im Rahmen der Eigenüberwachung sämtliche Komponenten auf ihre Spezifikationen überprüft.
An allen markanten Produktionspunkten sind Kameras installiert, die den Fertigungsprozess durchgehend dokumentieren und bei Reklamationen nachvollziehbar machen. Die Fehlerquote, so Klaus Bock, konnte dadurch erheblich reduziert werden. Die Fa. Saertex multicom besitzt für das SAERTEX®-LINER-Verfahren die allgemeine bauaufsichtliche Zulassung des Deutsches Institut für Bautechnik (DiBt), die zwingend erforderlich ist, wenn Maßnahmen auf Privatgrundstücken durchgeführt werden.
Das Service Programm KODINA (KOoperativer DIchtheits-NAchweis) wird von Herrn Dipl. Ing. Ulrich Winkler den Seminar-Teilnehmern erläutert. Wie allen anderen Referenten ist für Herrn Winkler auch die Darstellung des koordinierten Handels und Umganges mit dem Potential innerhalb der Grundstücksentwässerung wichtig. Einzelkämpfer stehen hier auf verlorenem Posten. Nur mit der schon beschriebenen Strategie sind die Vorgaben aus dem §45 BauO NRW wirtschaftlich sinnvoll umzusetzen. Bemängelt wird auch die Tatsache, dass die Dichtheitsprüfung eine bauaufsichtliche Regelung darstellt, und nicht wie es die Auffassung der breite Fachwelt ist, in das Wasserrecht gehört.

Einen wichtigen Part muss dabei die Kommune übernehmen. Sie hat die Möglichkeit, die Art der Handlung zu bestimmen. Sie kann per Satzung sowohl die Spielregeln der Untersuchung als auch die Zulassung der Dienstleister und Sachkundigen festlegen.
Einen wichtigen Part muss dabei die Kommune übernehmen. Sie hat die Möglichkeit, die Art der Handlung zu bestimmen. Sie kann per Satzung sowohl die Spielregeln der Untersuchung als auch die Zulassung der Dienstleister und Sachkundigen festlegen.

Bei der Umsetzung des Paragraphen 45 der Bauordnung NRW rückt der Systembruch an der Grundstücksgrenze in den Mittelpunkt der Betrachtung. Je nach kommunaler Satzung sind die Schnittstellen der privaten und öffentlichen Zuständigkeit an der Grundstücksgrenze, am Anschlussstutzen oder am Revisionsschacht definiert.
Zur Verdeutlichung der Situation wurden die Verhältnisse plakativ an einem Schachbrett geschildert. Hierbei stehen sich Bürger und Kommune mehr oder weniger freundlich gegenüber und versuchen mittels öffentlicher Ausschreibung oder freihändigen Vergabe die Kanäle und Leitungen so zu sanieren, dass sie den Forderungen des Gesetzgebers genügen. Ein gemeinschaftliches Umsetzen scheint nahezu unmöglich.

Auf einem weiteren Bild wird dargestellt, wie sich die Dienstleister (Sanitärhandwerker, TVInspekteure, Kanalsanierer und Tiefbauer) mit ihren Sanierungsverfahren auf die privaten Grundstückseigentümer stürzen. Jeder bietet den Service aus einer Hand an.
Die Folge dieser "Wild-West-Methoden" ist: je nachdem, wer den Fuß zuerst in die Tür bekommt, eröffnet das Spiel und legt wesentliche Spielregeln fest. Dementsprechend wird die ganze Sanierung durchgeführt. Fazit seiner Demonstration ist, dass ohne ordnende und überwachende Hand keine ganzheitliche Sanierung zustande kommt. Die Sanierung wird entsprechend auch dem Motto "wer zu erst kommt malt zu erst" durchgeführt.

Für Ulrich Winkler gibt es nur eine Lösung um Qualität und Wirtschaftlichkeit in der Sanierung zu gewährleisten – den unabhängigen Fachingenieur. Nur er ist in der Lage die tatsächlichen erforderlichen Sanierungen ganzheitlich zu beurteilen, alle Beteiligten wertfrei zu koordinieren und zu guter Letzt auf die Qualität der Sanierung zu achten um die Wirtschaftlichkeit im Auge zu behalten.
Vor diesem Hintergrund erläutert Herr Winkler das Modell KODINA, dass in enger Zusammenarbeit mit der Organisation "Haus und Grund" entwickelt wurde. Kern ist der Zusammenschluss von Hausbesitzern zu einer Kooperation und die Einschaltung eines Fachbüros für Grundstücksentwässerung.

Dieses System zur Koordinierung und Überwachung der Arbeiten bietet eine Qualifizierte und anbieterneutrale Betreuung, die Durchsetzung von Mindeststandards und die Entlastung der Kommunen. Neben der Information des Eigentümers ist der erfolgreich durchgeführte Dichtheitsnachweis das Ziel von KODINA.

Rechtsanwalt Christian Fath, Fa. Fakatec, Waldfischbach-Burgalben, stellt die Mängelfeststellung und Mängelgewährleistung in der Kanalsanierung in den Vordergrund seines Referates.

Darin beschreibt er die Definition eines Mangels als Abweichung der Ist- Beschaffenheit des Werks von seiner Soll-Beschaffenheit, die in der Leistungsbeschreibung definiert ist.

Die Mängelfeststellung erfolgt zum Beispiel bei der Begehung der Maßnahme oder der Durchsicht der optische TV-Inspektion. Ebenso können Mängel beim Abgleich mit Arbeitsberichten und Sanierungsplanung festgestellt werden.

Zur Vorsicht mahnt Christian Fath vor Pauschal-Beurteilungen. Oftmals stellen sich Mängel bei der näheren Betrachtung als verfahrensbedingt heraus und aus denen keine weiteren Ansprüche hergeleitet werden können.

Je nachdem wie sich die Mängelfeststellung darstellt, können verschiedene Wege beschritten werden, die er sehr ausführlich in seinem Vortrag schildert.

Besondere Aufmerksamkeit wurde dem Mangel im Bezug auf Dichtheitsprüfungen zuteil. Hier stellt Dipl.-Jur. Christian Fath fest, dass es rechtlich nur eine relative Dichtigkeit, keine absolute Dichtigkeit gibt.

Als Fazit seines Exkurses in den rechtlichen Bereich stellt er fest, das der Ausgangspunkt bei Fragestellungen im Mangelgewährleistungsrecht grundsätzlich der Abgleich von Ist- und Soll-Beschaffenheit des Werks ist.d den Inhalt des Bauvertrages zu richten. Für Sanierungsleitungen bedeutet das, vorab die Grundlagen genau zu ermitteln und die Erwartungen exakt zu definieren. Ein klares Forderungsprofil erleichtert dann im Nachhinein die Abgrenzung zwischen erheblichen Mängeln und lediglich unerheblichen Mängeln.
Herr Dipl.-Kfm. Bernd van Neerven konnte mit seinem Vortrag über den Haftungs- und Versicherungsschutz bei der Inspektion und Sanierung von Kanälen einmal mehr die Teilnehmer zu hoher Aufmerksamkeit animieren.

Gerade in dem Bereich der Kanalsanierung müssen die Risiken bewusst abgesichert, für jeden Auftrag neu abgeschätzt und immer wieder auf ihre Deckung hin überprüft werden.

So kann ein freiberuflich tätiger Ingenieur, durchaus als Generalunternehmer mit Planung und Ausführung beauftragt werden. Nur, in dem der Ingenieur vertraglich die Ausführungsunternehmen bindet, überschreitet er sein klassisches Berufsbild. Seine Leistungsschuld umfasst nunmehr auch das materielle Bauwerk, die primäre Haftung umfasst dann sowohl die Planungs- als auch die Ausführungsfehler. Die Deckung durch die klassische Berufshaftpflicht ist aus Sicht von Bernd van Neerven fraglich und ggf. zu ergänzen.

Nach diesen interessanten Vorträgen fühlten sich alle Teilnehmer in der Meinung bestärkt, dass ohne eine rechtliche Ordnung kein System in die Umsetzung des §45 kommt. Dazu sind viel zu viele Unklarheiten in der Auslegung und auch in den Zuständigkeiten offenbart worden.


[Vortragsskripte "Markt und Recht - in der Grundstücksentwässerung"
Saerbeck 08.11.2005]
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der tis Tiefbau Ingenieurbau Straßenbau. Mehr Informationen unter http://www.tis-online.de

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Dipl.-Ing. Frank Diederich

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