WMZ bohrt Seeleitung: Spektakuläre Bohrleistung

29.06.2004

Vortrieb von Leitungen

Der Bodensee ist mit 580 km2 der größte - und mit 250 m der tiefste See Deutschlands. Darüber hinaus ist der Bodensee ein gewaltiges Trinkwasserreservoir, der weite Teile Süddeutschlands versorgt. Die Universität Konstanz nutzt das Seewasser auch zur Kühlung ihrer Klimageräte und Forschungsanlagen.

Das Seewasser wird über eine 400 m lange 300er GG-Leitung aus 45 m Tiefe entnommen und einem Entnahmeschacht zugeführt. Das benachbarte Pumpwerk saugt das Wasser aus dem Entnahmeschacht an und fördert es über eine 500 m lange 250er GG-Leitung in den Hochbehälter Allmannsdorf. Von dort wird die Universität über eine 900 m lange 250er GG-Leitung mit dem ca. 5°C kühlen Wasser versorgt, das nach der Nutzung auf natürlichem Weg - langsam abkühlend - mit ca. 16°C in den Bodensee zurückfließen kann.
Durch den Erweiterungsbau der Universitätsbibliothek ergibt sich ein höherer Kühl- bzw. Wasserbedarf. Die Leistungsfähigkeit der bestehenden Kühlwasserversorgungsanlage mit 60 l/s reicht nicht mehr aus, um den Bedarf ganzjährig zu decken, so dass zeitweise zusätzlich wertvolles Frischwasser aus dem Netz bezogen werden muss.
Zudem befand sich die 90 Jahre alte Landleitung zwischen dem Pumpwerk Egg und dem Hochbehälter Allmannsdorf und der Universität Konstanz sowie die rund 400 m lange Seeleitung in einem schlechten baulichen Zustand, der die Erneuerung der Leitungen erforderte.
Mit der Planung und Bauleitung der Maßnahme beauftragte das Staatliche Vermögens- und Hochbauamt Konstanz die Ingenieurgesellschaft mbH UNGER aus Freiburg.
Bereits im Winter 2002/2003 wurde die Landleitung durch eine 400er GGG-Leitung ersetzt. Im Winter 2003/2004 stand die Erneuerung der Seeleitung an, die auf 110 m Länge vom Entnahmeschacht bis in den Bodensee im Horizontalspülbohrverfahren verlegt werden soll. Damit ist die neue Leitung vor mechanischen Einflüssen und vor Frost bei Niedrigwasser geschützt. Darüber hinaus sind für den Einsatz der Spülbohrtechnik Umweltgründe und natürlich auch die Optik von Belang.

Im neu erstellten Entnahmeschacht, dessen Sohle ca. 7 m unter der Geländeoberkante liegt, einen Durchmesser von 4,20 m hat und von einer überschnittenen Bohrpfahlwand umschlossen ist, werden später zwei Polderpumpen in Trockenaufstellung montiert. Nach der öffentlichen Ausschreibung des Projektes erhielt das Spezialtiefbauunternehmen Strobel GmbH aus Pfullendorf den Zuschlag. Das Bohrunternehmen WMZ aus Lauingen erhielt als Nachunternehmer den Auftrag für die Bohrarbeiten und die Firma Klumpp GmbH aus Offenburg erhielt als Nachunternehmer den Auftrag für die Rohrleitungsarbeiten.
Die neue PE-HD Seeleitung mit einem Außendurchmesser von 500 mm und einer Wanddicke von 45,4 mm hat eine Gesamtlänge von 320 m und soll auf 210 m Länge in ca. 40 m Tiefe auf dem Seegrund liegen. Die topografischen bzw. geologischen Verhältnisse im Trassenbereich erforderten eine max. Bohrtiefe von 20 m. Die Baugrunderkundung wies im oberen Bereich Molasse und in den tieferen Schichten Ton und Mergel aus.

Gemeinsam mit dem Ingenieurbüro UNGER, dem Bohrunternehmen WMZ und dem Tief- und Rohrleitungsbauunternehmen Klumpp GmbH wurde ein bis ins Detail ausgetüftelter Verlegeplan entwickelt. Die Bohrung selbst stellte kein unlösbares Problem dar. Die Herausforderung lag im kontrollierten Einschwimmen, Absenken und Einziehen des Rohres.

Folgende Maßnahmen wurden beschlossen:

1. Für die Verlegung wird ein Mehrschichtrohr verwendet, welches aus einem Kernrohr und einem Mantelrohr besteht, das das Rohr vor mechanischen Beschädigungen beim Einzug schützt. Die 12 m Rohre werden durch Spiegelschweißung miteinander verbunden.

2. Der Teil des zusammengeschweißten Rohrstrangs, der sich auf dem Seegrund absetzen sollte, musste am Ufer ballastiert werden. Das Ingenieurbüro UNGER berechnete dafür 50 Betonblöcke mit einem Abtrieb von je 400 kg, die in einem Abstand von je 4 m an dem Rohr angebracht wurden.

3. Für die Absenkung war eine gesteuerte Flutung des Rohres erforderlich. Das Absenken musste am landseitigen Ende beginnen, um die verdrängte Luft ableiten zu können. Zu diesem Zweck musste in dem Rohr auf der gesamten Länge eine Befüll-Leitung eingezogen werden. Die Befüllung erfolgte am seeseitigen Ende mit einer Pumpe.

4. Um den Rohrstrang über Wasser in einer stabilen Lage und unter Wasser schwimmend auf der Einzugshöhe von rund 20 m zu halten, waren 6 Schwimmkörper (Pontons) im Abstand von je 55 m erforderlich. Die Pontons waren mit Winden ausgestattet, mit denen der Rohrstrang auf eine Tiefe von rund 20 m (Austritttspunkt der Bohrung) abgelassen und gehalten werden konnte, um einen möglichst reibungslosen und leichten Rohreinzug sicherzustellen.

5. Zu berücksichtigen war die max. Zugleistung der Grundodrill-Bohranlage von 20 t. Bei 15 t Rohrgewicht und zusätzlich 20 t Betongewicht wurde unter Wasser eine Einzugskraft von max.10 t erwartet.

6. Für die Bergungs- und Montagearbeiten unter Wasser stand ein Tauchteam bereit.

7. Die Stadtwerke Konstanz hielten des weiteren ein Fährschiff mit einem Seilbagger bereit.
Nach der Erstellung des Entnahmeschachtes konnte mit der Pilotbohrung begonnen werden. Die Grundodrill-Bohranlage (Hersteller: Tracto-Technik, Lennestadt) wurde ca. 30 m vom Entnahmeschacht entfernt positioniert, um in Höhe des Entnahmeschachtes auf Verlegetiefe zu kommen. Nach 70 m erreichte der Bohrkopf jedoch plötzlich eine schwer durchdringbare Sandsteinschicht, die den Anbau eines Fels-Bohrlochmotors erforderte, wodurch sich die Arbeiten verzögerten. Die Pilotbohrung nahm zwei Tage in Anspruch.

Es folgten mehrere Aufweitbohrungen, im Durchmesser von 10, 14, 20 und 25 Zoll. Nach 6 Arbeitstagen war es soweit. Nach der letzten Aufweitbohrung wurde der 640er Backreamer mit dem Gestänge durch die Bohrung bis weit in den See geschoben, um beim Bergungsvorgang die Belastung für das Gestänge möglichst klein zu halten. Wieder kam das Tauchteam zum Einsatz, das eine Zugkette an dem Backreamer befestigte. Der Seilbagger auf der Fähre zog den Backreamer an die Wasseroberfläche, wo er nach mehreren dramatischen Versuchen mit dem Rohrstrang verbunden wurde.

Inzwischen lag der Rohrstrang auf See ausgerichtet zum Rohreinzug bereit. Allerdings bereitete aufkommender Wind kurzzeitig Probleme. Der Rohrstrang driftete mehrfach ab und musste immer wieder auf die vorgesehene Einzugslinie zurückgeholt werden.
Durch den Einsatz der HDD-Technologie wurde die Ökologie der Flachwasserzone und der unmittelbar benachbarte Litoralgarten der Uni Konstanz so gut wie nicht beeinträchtigt und fand auch deshalb große Zustimmung beim genehmigenden Landratsamt, bei der Fischereiaufsicht, bei den Uni-Biologen und dem Seenforschungsinstitut Langenargen.

Eckdaten der Seeentnahmeleitung:

Trasse der Leitung: Pumpwerk Egg, westlich neben der bestehenden Leitung in rund 17 m Abstand
Gesamtlänge: 320 m
Länge des erdverlegten Leitungsabschnittes in der Flachwasserzone (Bohrung): 110 m
Länge des sohlverlegten Leitungsabschnittes im Bereich der Halde und der Tiefenzone: 210 m
Wassertiefe an der Entnahmestelle: rund 50 m
Produktrohr: DA 500, Wanddicke 45,5 mm, Schutzmantel PP, 3 mm
Schachttiefe: 7 m
Schachtdurchmesser: 4,20 m

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