20. Oldenburger Rohrleitungsforum 09./10. Februar 2006 Alternde deutsche Rohrleitungsnetze: Grabenlose Sanierungstechniken sind wichtiger denn je

31.10.2005

Mehrere Millionen Kilometer Rohrleitungen der Ver- und Entsorgung tragen maßgeblich zum Wohlstand in Deutschland bei. Doch ebenso wie die Bevölkerung altern auch diese Infrastrukturen rapide. Die Folge ist ein bundesweit wachsender Sanierungsbedarf im Untergrund. Vor allem die Betreiber öffentlicher und privater Abwasserkanalisationen stehen in den kommenden Jahren vor erheblichen Herausforderungen. Mit den Problemen wächst jedoch auch die Palette der technischen Lösungsmöglichkeiten. Nie zuvor gab es ein so breites Spektrum von grabenlose Erneuerungs- und Renovationstechniken wie heute. Das 20. Oldenburger Rohrleitungsforum, das am 09. und 10. Februar 2006 an der Fachhochschule Oldenburg stattfindet, stellt in Fachvorträgen und einer umfassenden Begleitausstellung unter anderem den aktuellen Stand der No-Dig-Technologie vor.Warum "grabenlose" Vorgehensweisen bei der Sanierung von Gas-, Wasser- und Abwasserleitungen gefragt sind, liegt auf der Hand: Wenn man den anstehenden Sanierungsbedarf vollständig durch offenen Neubau abarbeiten würde, wäre in den Städten und Gemeinden ein Verkehrschaos auf Jahre hinaus programmiert, verbunden mit erheblichen, nur schwer in Cent und Euro zu beziffernden sozialen Kosten. Häufig würden sogar relativ neue Verkehrsflächen dem Neubau im Untergrund zum Opfer fallen, denn bei den öffentlichen Bauaktivitäten ist eine weitsichtige Koordination zwischen "oben und unten" noch längst nicht überall die Regel.

Grundsätzlich unterscheidet man zwei Alternativen, um Leitungen ohne Bagger und Spundwandramme wieder auf Vordermann zu bringen: die grabenlose Erneuerung, bei der tatsächlich neue Rohre ohne Erdarbeiten installiert werden, und Renovations- und Reparaturverfahren, mit denen die schadhafte Rohrsubstanz erhalten und für weiteren Betrieb ertüchtigt wird. Voraussetzung ist jedoch in beiden Fällen, dass das Schadensbild noch nicht so weit entwickelt ist, dass grabenlose Techniken überhaupt noch einsetzbar sind - schon deshalb sollte man sich also rechtzeitig um den Zustand der Rohre kümmern, bevor sie den "point of no return" erreichen.

Die Erneuerung vorhandener Rohrsubstanz im Untergrund ist seit vielen Jahren eine Domäne der sogenannten Berstverfahren, bei denen die schadhaften Rohre in situ zerstört und im gleichen Arbeitsgang durch ein neues Produktenrohr ersetzt werden. Man unterscheidet die dynamischen Berstverfahren, bei denen die Zerstörung des Altrohrs durch impulsiven Krafteintrag einer pneumatischen Berstrakete erfolgt, von den statischen, bei denen ein Schneidkopf mit Aufweitkonus über ein Zuggestänge in kontiniuierlicher Bewegung durch Rohr oder Kanal gezogen wird. Sowohl die Rakete als auch der Schneidkopf ziehen das neue Rohr unmittelbar hinter sich ein, das zumeist ein HD-PE-Langrohr ist und sogar ein gewisses Übermaß gegenüber dem alten Rohr haben kann. Die statischen Verfahren werden aufgrund ihrerer Erschütterungsfreiheit überall dort bevorzugt, wo ein sensibles Baustellenumfeld die Stoßimpulse der dynamischen Verfahren nicht toleriert.

In jüngerer Zeit hat sich hier ein recht breites Spektrum von verfahrenstechnischen Varianten entwickelt. Zu den zweifellos interessantesten gehört das TIP-(Tight-in-Pipe-)Verfahren für Abwasserkanäle, das 2004 vorgestellt wurde. War bei den statischen Berstverfahren zumeist noch eine Startbaugrube für die Aufnahme des Zugaggregates nötig, so wurde TIP eigens für den Einsatz über Standard-Revisionsschächte entwickelt. Da über den Schacht andererseits kein Langrohrstrang eingezogen werden kann, setzt TIP auf Kunststoff-Kurzrohrmodule mit kraftschlüssigen Kupplungen, die im Schacht aneinander gekoppelt werden. Von daher ist TIP dem Kurzrohrrelining verwandt, diesem jedoch insoweit überlegen, als eine Aufweitung des Altrohrs erfolgt. Es kann also die Nennweite erhalten oder sogar leicht erweitert werden, wo bislang Kapazitätsverluste hingenommen werden mussten.

Eine Technologie, die sich bei der Renovation maroder Gas-, Wasser- und Abwasserrohre wachsender Beliebtheit erfreut, ist das Schlauchlining. Bei diesem Verfahrenstyp werden defekte Rohre formschlüssig durch kunstharzgetränkte Folien- oder Gewebeschläuche ausgekleidet, die im Rohr zu einer Härtungsreaktion veranlaßt werden. Es gibt -je nach dem Anforderungsprofil des Einzelfalles- vielfältige Varianten; sie unterscheiden sich durch die Technologie des Einbaus, die Werkstoffe von Schlauchträger und Kunstharzen, die Härtungstechniken und nicht zuletzt durch die physikalischen Eigenschaften des fertigen Liners. So werden in Transportleitungen für Gas und Wasser Schlauchliner installiert, die primär innendruckfest sein müssen, während die Schlauchliner für Abwasserkanäle und -bauwerke eingebaut werden, im Regelfalle auf Tragfähigkeit gegenüber äußeren Lasten optimiert werden.

Schlauchlining wird heute in Nennweiten von 50 Millimetern bis zu 2 Metern eingesetzt. Ein Extrembeispiel aus Hamburg wird Gegenstand des Oldenburger Rohrleitungsforums sein. Schlauchlining bietet entscheidende Vorteile: Es ist ein Verfahren, das nur in ganz seltenen Fällen punktuelle Erdarbeiten erfordert, ist extrem flexibel, was Nennweiten und Profiltypen von Leitungen und Bauwerken angeht und ist gegenüber offenen Baumaßnahmen konkurrenzlos schnell. Zudem reduzieren Linerauskleidungen die vorhandene Kapazität der Leitungen meist nur minimal. Das  einzige "Problem" im Umgang mit Schlauchlining-Verfahren ist inzwischen ihre enorme Angebotsbreite: die optimale Planung und Realisierung von Schlauchlining-Verfahren erfordert längst spezialisiertes Expertenwissen.

Eine weitere Option, mit der das Ziel verfolgt wird, Auskleidungen formschlüssig und möglichst ohne jeden Ringraum im Altrohr zu installieren, sind die "Close fit-Verfahren". Bei diesen zieht man gleichfalls über einen Schacht ein Kunststoff-Langrohr in die Leitung ein, das bei der Produktion im noch warmen Zustand aus der Kreisform in ganzer Länge zu einem C- bzw. U-Profil eingefaltet wurde und so von einer Haspel aus in das zu sanierende Rohr eingezogen wird. Dort wird der Close-Fit-Liner unter Druck mit Dampf gefüllt und kehrt dadurch in die ursprüngliche Kreisform zurück. Das "molekulare Gedächtnis" des Kunststoffs hilft dem Rohr dabei auf die Sprünge. Auch diese Verfahrenstechnik ist als Alternative speziell zum herkömmlichem Rohrstrangrelining zunehmend auf dem Vormarsch.

Die vorgenannten Techniken sind nur einige Optionen aus der zunehmend wachsenden Bandbreite grabenloser Erneuerung- und Sanierungstechnologie. Das Spektrum der technischen Möglichkeiten setzt natürlich zur richtigen Anwendung ein zunehmend breiteres Expertenwissen voraus, das zudem auch noch laufend aktuell gehalten werden muss. Eine Veranstaltung wie das 20. Oldenburger Rohrleitungsforum 2006 ist eine ideale Gelegenheit, in diesen Fragen rundum "up to date" zu bleiben.

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