Dichtheitsprüfung von Freispiegelleitungen und Schächten, Teil 2
05.03.2018
Eigenüberwachung und Gütesicherung
Abwasserleitungen und -kanäle sowie Schächte und Inspektionsöffnungen sind dicht herzustellen, damit Grundwasser und Boden nicht durch exfiltrierendes Abwasser verschmutzt wird. Undichte Abwasserleitungen und -kanäle führen bei Infiltration von Grundwasser zu einer erheblichen Belastung des Abwassernetzes und der Abwasserbehandlungsanlagen.
Wenn zusätzlich Bodenmaterial aus der Leitungszone ausgewaschen wird, ist sogar die Standsicherheit gefährdet.
Sobald ein Bauvertrag geschlossen wird, bei dem die VOB Teil B Vertragsgrundlage ist, gilt für die Entwässerungskanalarbeiten DIN 18306 als Allgemeine Technische Vertragsbedingung. Danach sind Entwässerungskanäle und -leitungen sowie Schächte nach DIN EN 1610 herzustellen und zu prüfen.
Wenn für die Prüfungen andere Regelungen festgelegt werden, wie z.B. die des Arbeitsblattes DWA-A 139, so sind diese in der Leistungsbeschreibung eindeutig anzugeben.
Nachdem sich Teil 1 des Fachartikels mit den Voraussetzungen der Prüfungen beschäftigt hat, geht es im zweiten Teil um die Prüfungen selber.
Prüfung Verfahren „W“
Die Prüfung mit Wasser (Verfahren „W“) basiert darauf, dass über einen festgelegten Zeitraum (Prüfzeit) die Menge an Wasser gemessen wird, die während der Prüfung zugegeben werden muss um den geforderten Prüfdruck aufrecht zu erhalten. Dafür wird die Rohrleitung und/oder der Schacht, nachdem Vorarbeiten abgeschlossen sind (s. Teil 1), mit Hilfe eines Freispiegelbehälters oder einer entsprechenden Ausrüstung drucklos befüllt.
Bei Rohrleitungen erfolgt diese Befüllung vom Tiefpunkt aus bei gleichzeitiger Entlüftung am Hochpunkt.
Ist die Füllung abgeschlossen und der erforderliche Prüfdruck erreicht, kann es vor Beginn der eigentlichen Prüfung notwendig sein eine Zeit abzuwarten (Vorbereitungszeit). Diese Vorbereitungszeit dient zur Wassersättigung des Rohr-/Schachtmaterials. Üblicherweise ist eine Stunde hierfür ausreichend.
Eine längere Vorbereitungszeit kann z. B. aufgrund trockener Klimabedingungen im Falle von Betonrohren erforderlich werden. Die Prüfzeit beträgt unabhängig vom Prüfobjekt 30 min und ist mit einer Genauigkeit von ± 1 Minute zu messen.
Der Prüfdruck ist abhängig von dem gewählten Prüfobjekt: So wird unterschieden in eine Prüfung der Rohrleitung einschließlich Schächte, in eine Prüfung nur der Rohrleitung und in eine Prüfung nur von Schächten und Inspektionsöffnungen.
Nach DIN EN 1610 muss der Prüfdruck für die Rohrleitung ohne Schächte und Inspektionsöffnungen, der sich aus der Füllung des Prüfabschnittes bis zum Geländeniveau des – je nach Vorgabe – stromaufwärts oder stromabwärts gelegenen Schachtes ergibt, höchstens 50 kPa und mindestens 10 kPa, gemessen am Rohrscheitel, betragen. Bei anstehendem Grundwasser ist der Prüfdruck pro 10 cm Grundwasserstand über Rohrsohle um 1 kPa zu erhöhen.
Sofern vom Planer im Vorfeld nicht anders festgelegt, liegt das Bezugsniveau bei einer Prüfung von Schächten und Inspektionsöffnungen entweder an der Oberkante Konus oder Unterkante Abdeckplatte. Der Prüfdruck muss dabei einer Füllhöhe von etwa 10 cm unterhalb dieses Bezugsniveaus entsprechen.
Nach DWA-A 139 entspricht der Prüfdruck für Leitungen und Kanäle in der Regel einer Füllhöhe bis zur Geländeoberkante. Aus konstruktiven Gründen sollte der Prüfdruck für Schächte einer Füllhöhe bis zur Oberkante Schachthals bzw. Abdeckplatte entsprechen.
Während der Prüfung muss der festgelegte Prüfdruck innerhalb 1 kPa durch die Zugabe von Wasser aufrechterhalten werden. Die Veränderung des Wasservolumens wird während der Prüfung mit einer Genauigkeit von 0,1 l gemessen und zusammen mit dem Verlauf des Prüfdruckes aufgezeichnet. Die Prüfung gilt als erfüllt, wenn die zulässige Veränderung des Wasservolumens die in DIN EN 1610 gelisteten Grenzwerten nicht übersteigt.
Wenn die Prüfbedingungen gemäß DWA-A 139 vertraglich vereinbart sind, gelten die für zementgebundene und -ausgekleidete Rohrleitungen und Schächte die Werte nach DIN EN 1610. Für alle anderen Werkstoffe gelten abweichende Grenzwerte. Ausnahme bilden hier Bauteile aus Mauerwerk für die einzelfallbezogene Kriterien vorzugeben sind.
Prüfung, Verfahren „L“
Bei der Prüfung mit Luft (Verfahren „L“) wird über die Dauer der Prüfzeit der Druckabfall gemessen. Bei der Prüfung von Rohrleitungen wird diese nach Abschluss der Vorarbeiten über eine Befülleinrichtung gefüllt. Diese muss ein Sicherheitsventil als Druckbegrenzer, ein Manometer zur Kontrolle des Fülldruckes und ein Absperrventil enthalten. Während die Leitung unter Luftdruck steht, ist ein Aufenthalt von Personen im Gefährdungsbereich nicht zulässig.
Der Anfangsdruck, der den erforderlichen Prüfdruck p0 um etwa 10 % überschreitet, muss zuerst für die Dauer von etwa 5 Minuten aufrechterhalten werden. Dieser Zeitraum wird als Beruhigungszeit bezeichnet und ist notwendig um einen Temperaturausgleich zwischen der Rohrwandung und der eingefüllten Luft zu erzeugen. Der Prüfdruck variiert nach DIN EN 1610 in Abhängigkeit des gewählten Prüfverfahren (LA, LB, LC oder LD). Das gewählte Prüfverfahren gibt dann auch die Werte für den zulässigen Druckabfall und die Prüfzeit in Abhängigkeit der Rohrnennweite vor.
Die zur Messung des Druckabfalls eingesetzten Geräte müssen die Messung mit einer Fehlergrenze von 10 % ∆p sicherstellen. Für die Messung der Prüfzeit beträgt die Fehlergrenze 5 Sekunden. Falls der nach der Prüfzeit gemessene Druckabfall Δp geringer ist als der in der DIN EN 1610 angegebene Wert, entspricht die Rohrleitung den Anforderungen.
Die Prüfung von Schächten und Inspektionsöffnungen mit Luft kann für das Personal gefährlich sein. Falls nationale Vorschriften eine derartige Prüfung nicht untersagen, dürfen Schächte ≤ DN 1250 und Inspektionsöffnungen ausschließlich mit den Verfahren LA oder LB geprüft werden. Dabei sind die Prüfbedingungen entsprechend denen für Rohrleitungen anzupassen. Eine Prüfung mit Unterdruck (negativer Druck) darf verwendet werden, sofern entsprechende Kriterien in der Planung festgelegt wurden.
Falls eine Dichtheitsprüfung nach DWA-A 139 vertraglich vereinbart ist, gelten die dort aufgeführten werkstoffunabhängigen Anforderungen für die Prüfverfahren LE und LF (Luftüberdruck) bzw. LEu und LFu (Unterdruck). Bei zementgebundenen Werkstoffen sollte jedoch eine weitest gehende Wassersättigung der Oberfläche vorhanden sein. Die Prüfzeiten sind wie in der DIN EN 1610 nennweitenabhängig.
Prüfzeiten für nicht aufgeführte Nennweiten können über die folgenden Gleichungen berechnet werden, wobei die Prüfzeit auf die nähere halbe Minute zu runden ist:
-
Verfahren LE und LEU: t = 0,015 x DN [min]
-
Verfahren LF und LFU: t = 0,01 x DN [min]
Für Prüfobjekte mit nichtkreisförmigen Querschnitten oder unterschiedlichen Querschnitten kann aus dem vorhandenen Prüfraumvolumen und der zugehörigen Rohrwandfläche des Prüfraumes eine Ersatznennweite berechnet werden, für die wiederum die Prüfzeit entweder der Tabelle in DWA-A 139 entnommen oder über die genannten Gleichungen berechnet werden.
Wie auch bei der Prüfung mit Wasser ist anstehendes Grundwasser zu berücksichtigen. Dabei ist der Prüfdruck pro 10 cm Grundwasserstand über der Rohrsohle um 1 kPa zu erhöhen. Aus sicherheitstechnischen Gründen bleibt der Prüfdruck in jedem Fall auf 20 kPa beschränkt.
Maßgebende Funktionalprüfung
Undichtheiten in Leitungen und Kanälen können – über die Verunreinigung von Boden und Grundwasser hinaus – auch deren Nutzungsdauer verkürzen bzw. Standsicherheit gefährden. Die Dichtheitsprüfung von Freispiegelleitungen und Schächten gehört nach DIN EN 752 zu den maßgebenden Funktionalprüfungen für die Bewertung des Werkerfolges vor Abnahme der Leistung.
Beauftragt der Bauherr die Dichtheitsprüfung als Abschlussprüfung zur Abnahme, so haben Unternehmen mit Gütezeichen Kanalbau die Nachweise der Dichtheit als wesentlichen Bestandteil der Funktionalprüfung mit in die Eigenüberwachungsunterlagen aufzunehmen. Ausnahmen hiervon sind nur möglich, sofern der Bauherr auf die Prüfung der Dichtheit verzichtet hat.
Der so genannte Leitfaden gibt den Umfang der Eigenüberwachung vor. Er stellt ein Muster für die entsprechende Dokumentation dar. Andere, insbesondere innerbetrieblich erstellte Dokumente im Rahmen von Qualitätssicherungssystemen, können alternativ verwendet werden. Bei der Eigenüberwachung sind die maßgeblichen Parameter zu überprüfen und deren Einhaltung zu dokumentieren.
Die Dokumentation beim Leitfaden für die Eigenüberwachung D umfasst je nach Baufortschritt mindestens folgende Unterlagen:
-
Planunterlagen
-
Nachweis einer durchgeführten Kalibrierung der Messgeräte, nicht älter als 12 Monate
-
Nachweis über die jährlich durch einen Sachkundigen nach DGUV Information 201-022, bisher BGI 802 durchzuführenden Funktionsprüfung der Absperrelemente
-
Nachweis der Eignung (Qualifikation) des Aufsichtführenden, der die Durchführung der Dichtheitsprüfung leitet. Seine Qualifikation muss nachgewiesen sein (z.B. durch einen Sachkundenachweis nach DWA-Seminar „Sachkunde für die Dichtheitsprüfung Entwässerungsanlagen außerhalb von Gebäuden“ oder vergleichbar).
Die erforderlichen Unterlagen werden im Rahmen von unangekündigten Baustellenbesuchen eines vom Güteausschuss der Gütegemeinschaft beauftragten Prüfingenieurs ebenso bewertet, wie die Erfahrung des Unternehmens und des eingesetzten Personals sowie die Zuverlässigkeit und die gerätetechnische Ausstattung.
Mit der Gütesicherung RAL-GZ 961 steht ein wichtiges Instrument zur Verfügung, welches Aussagen über Qualifikation und Zuverlässigkeit eines Unternehmens ermöglicht.
Die Reihe „Dichtheitsprüfung von Freispiegelleitungen und Schächten“ wird in Kürze mit einem Beitrag über „Prüfungen einzelner Rohrverbindungen“ und „Protokollierung“ abgeschlossen.
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