Die Mitglieder haben das Wort
22.01.2015
RAL-Gütezeichen Kanalbau wird 25
Eine moderne Zivilisation wäre ohne funktionierende Kanalisation nicht vorstellbar. In das Bewusstsein der Bevölkerung dringt der Kanalbau trotzdem nur dann, wenn etwas nicht funktioniert. Zum Beispiel wenn Kanäle so undicht sind, dass es zu Einbrüchen an der Geländeoberfläche kommt. Aber auch wenn die Auswirkungen weniger spektakulär sind, stellen undichte Kanäle ein erhebliches Umweltproblem dar und verursachen hohe Sanierungskosten. Daher ist eine zuverlässige Qualitätssicherung im Kanalbau besonders wichtig. Auftraggeber berücksichtigen das schon bei der Vergabe, indem sie die notwendige fachliche Qualifikation der ausführenden Unternehmen prüfen.
Grundlage RAL-GZ 961
Die Definition der Mindestanforderungen zur Qualifikation und deren Prüfung wurden gemeinsam von den Auftraggebern und Auftragnehmern in diesem Bereich über eine RAL-Gütesicherung organisiert. Das „Deutsche Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung“ (RAL) ist für die Anerkennung und Zuverlässigkeit der RAL-Gütesicherungen zuständig. Diese entstehen in einem öffentlichen Anhörungsverfahren, in dem die zugehörigen Anforderungen gemeinsam festgelegt werden mit Herstellern, Anbietern, Wirtschafts- und Verbraucherverbänden, Prüfinstitutionen sowie Bundes- und Landesbehörden sowie im Einvernehmen mit dem Kartellamt. Die RAL-Gütegemeinschaft Kanalbau als die von RAL anerkannten Organisation prüft die Einhaltung der definierten Anforderungen RAL-GZ 961 und ahndet Verstöße bei Gütezeicheninhabern bis hin zum Entzug des Gütezeichens.
Eine Erfolgsgeschichte
Im Januar 1990 hatte die Gütegemeinschaft nach zweijährigem Vorlauf das Anerkennungsverfahren für das RAL-Gütezeichen Kanalbau erhalten. Im Mai des gleichen Jahres wurden auf der IFAT in München die ersten 38 Gütezeichen vergeben. Es hat sich bis heute zum Markenzeichen für Qualität im Kanalbau entwickelt. Die Gütesicherung RAL-GZ 961 findet seit nun 25 Jahren stetig zunehmend Anwendung. Seit Gründung der Gütegemeinschaft Kanalbau stieg die Zahl der Auftraggeber, die die Eignung der Bieter auf Grundlage der RAL-Gütesicherung fordern, kontinuierlich an: Ende 2014 sind es mehr als 5.000 Auftraggeber bzw. Ingenieurbüros.
Gemeinsam für Qualität
Mit dem Gütezeichen verdeutlicht ein Unternehmen den eigenen Qualitätsanspruch. Die Vorteile der Zugehörigkeit zur Gütegemeinschaft werden in der Praxis von Gütezeicheninhabern bestätigt. Mit dem Beitritt zur Gütegemeinschaft stellen die Unternehmen die Fachkunde sicher durch regelmäßige Schulungen ihres Fachpersonals und die vielfältigen technischen Informationen der Gütegemeinschaft. Sie intensivieren das innerbetriebliche Qualitätsmanagement, insbesondere die Eigenüberwachung. Gütezeicheninhaber melden ihre Maßnahmen und ermöglichen dem Prüfingenieur so zusätzlich eine externe Kontrolle ihrer Leistungsfähigkeit.
In der Gütegemeinschaft Güteschutz Kanalbau sind Auftraggeber und Auftragnehmer gemeinsam vertreten – mit gleichem Mitspracherecht und Gestaltungsmöglichkeiten. Die Mitglieder finden im Rahmen von Veranstaltungen der Gütegemeinschaft ein Forum zum fachlichen Meinungsaustausch. Die gemeinsame Arbeit am Thema Qualität verbessert das wechselseitige Verständnis und schafft die Grundlage für ein partnerschaftliches Vertrauensverhältnis. Auf dieser Basis haben die Mitglieder entsprechende Beurteilungsgruppen für die „Ausschreibung und Bauüberwachung“ eingerichtet.
Zusammenspiel funktioniert
Dass dieses Zusammenspiel funktioniert, wird durch die Zahlen zu den Aktivitäten der Gütegemeinschaft eindrucksvoll belegt: Mehr als 2.600 Firmen- und mehr als 4.300 Baustellenbesuche haben die beauftragten Prüfingenieure 2014 durchgeführt. Ihre Berichte werden zum Güteausschuss geleitet. Dieses Gremium stellt den Anspruch der Gütesicherung im Einzelfall sicher. Deshalb sind hierin sowohl Auftraggeber als auch Auftragnehmer vertreten. Der Güteausschuss entscheidet über die erstmalige Vergabe von Gütezeichen und auch über notwendige Ahndungsmaßnahmen. 2014 hat der Güteausschuss 6.107 Besuchsberichte der Prüfingenieure bearbeitet. 173 Gütezeichen wurden verliehen, insgesamt 374 Ahndungen beschlossen und dabei 9-mal das Gütezeichen entzogen.
Fragen und Antworten rund um die Gütesicherung
Der Vorstand der Gütegemeinschaft Kanalbau besteht aus 13 Mitgliedern. 8 werden von der Mitgliederversammlung aus Reihen der Auftraggeber bzw. Auftragnehmer gewählt. Zu den 5 benannten Mitgliedern des Vorstandes gehören jeweils ein Vertreter: von DWA; von GFA; eines europäischen Fachverbandes; der Unternehmer-Verbände und dem Obmann des Güteausschusses. In 2015 werden die Mitglieder des Vorstandes zu Fragen rund um das Thema Gütesicherung Kanalbau Stellung nehmen und dabei ebenso über ihre Erfahrungen berichten wie auch Einblicke in ihre ganz persönlichen Sichtweisen geben.
Den Anfang macht der Obmann des Güteausschusses, Dipl.-Ing. Uwe Neuschäfer, Abteilungsleiter Technik, KASSELWASSER, Eigenbetrieb der Stadt.
Herr Neuschäfer, wann und wo haben Sie persönlich das RAL-Gütezeichen Kanalbau das erste Mal wahrgenommen?
Das ist heute genau 20 Jahre her. Ich übernahm im Tiefbauamt der Stadt Kassel die Leitung der Abteilung Stadtentwässerung. Im Rahmen unserer Kanalbautätigkeiten wurde auch über die Qualitätsanforderungen im Güteschutz Kanalbau diskutiert.
Wie haben Sie die Entwicklung des Gütezeichens Kanalbau in den 25 Jahren wahrgenommen?
Es ist für mich eine Erfolgsgeschichte. Aus der Idee einiger Pioniere von Auftraggebern und Auftragnehmern Ende der 1980er Jahre, für die fachgerechtes Arbeiten im Kanalbau oberstes Gebot war, ist eine über Deutschlands Grenzen hinaus bekannte Organisation geworden, die für Qualität im Kanalbau und Qualität bei der Sanierung von Kanälen steht.
Was ist für Sie das Besondere an der Gütesicherung Kanalbau?
Die Gütesicherung wird gleichermaßen von Auftraggebern und Auftragnehmern getragen. Die Mitgliederversammlung entscheidet paritätisch mit gleichem Stimmenanteil beider Mitgliedsgruppen im Gegensatz zu anderen Gruppierungen.
Seit wann und warum engagieren Sie sich in der Gütegemeinschaft Kanalbau?
Die Erfahrung lehrt, dass wirtschaftliches Bauen eng mit qualitativ hochwertigen Baustoffen und mit erfahrenen und leistungsfähigen Baufirmen und Auftraggebern verknüpft ist. Die Gütegemeinschaft Kanalbau verfolgt genau diesen Grundgedanken. Ich versuche in meiner Funktion als Obmann des Güteausschusses mit meinen Kollegen den Gütesicherungsgedanken weiterzuentwickeln und die zugehörigen Güte- und Prüfbestimmungen den ständig sich verändernden Gegebenheiten anzupassen.
Welche Berührungspunkte haben Sie in Ihrer täglichen Arbeit mit der Gütegemeinschaft Kanalbau?
Als Abwasserbeseitigungspflichtiger der Stadt Kassel investieren wir jährlich 10-15 Mio. Euro in den Substanzwerterhalt unseres Kanalnetzes. Alle Erneuerungs- und Sanierungsmaßnahmen führen wir mit gütegesicherten Auftragnehmern durch. In den Bereichen, wo wir selbst als Dienstleister auftreten, haben wir uns selbst der Gütesicherung unterzogen und führen selbst die entsprechenden Gütezeichen.
Was bedeutet Gütesicherung Kanalbau für Sie bzw. was verbinden Sie mit dem Gütezeichen Kanalbau?
Der Güteschutz Kanalbau ist für mich die einzig bekannte Organisation, wo Auftragnehmer und Auftraggeber gemeinsam versuchen, die Qualität in der Erneuerung und Sanierung von Abwasserkanälen zu verbessern. Hier zertifizieren sich Lieferanten nicht selbst, um einen Wettbewerbsvorteil zu erhalten.
Welche Rolle spielt die Gütesicherung Kanalbau in Bezug auf Umwelt, Gebührenstruktur bzw. die Infrastruktur und welche wesentlichen Ziele sehen Sie für die Gütesicherung Kanalbau?
Wirtschaftliches Bauen geht einher mit hoher Qualität. „Billig ist zu teuer“ ist ein geflügeltes Wort, was auch im Kanalbau gilt. Studien aus Großbritannien belegen, dass das um rd. 30 Jahre gestiegene Lebensalter der Menschen in den letzten 150 Jahren auf verbesserte hygienische Bedingungen zurückzuführen ist. Den wesentlichen Anteil daran hat die Schwemmkanalisation. Funktionsfähige, langlebige Kanäle sind daher ein herausragender Bestandteil der Daseinsvorsorge. Um die erreichten Standards unter wirtschaftlichen und ökologischen Rahmenbedingungen zu halten bzw. weiter zu entwickeln, ist eine hohe Qualität auf Seiten der am Bau Beteiligten notwendig. Für die Einhaltung der Qualitätsstandards steht der Güteschutz Kanalbau in Europa. Ziel muss es sein, alle auf ein einheitliches Niveau zu bringen.
Herr Neuschäfer, vielen Dank für das Interview.
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