Instandhaltung der Kanalisationen - Aktuelle Situation und zukünftige Herausforderungen

01.10.2004

Die deutschen Kanalnetze haben nach Angaben der deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V. (ATV-DVWK) eine Länge von etwa 450.000 km. Aufgrund von Umfragen und Untersuchungen ist davon auszugehen, dass davon etwa 30% der öffentlichen Kanalisation Schäden aufweisen und somit zumindest mittelfristig sanierungsbedürftig sind. Diese Schäden können zu einer Beeinträchtigung der Standsicherheit, der hydraulischen Leistungsfähigkeit oder zu Abwasserexfiltrationen sowie Grundwasserinfiltrationen führen. Vor dem Hintergrund eines wachsenden Kostendruckes und der in der Vergangenheit oft vernachlässigten Instandhaltung stehen die Kanalnetzbetreiber nun vor der Aufgabe, zunächst einen ordnungsgemäßen Kanalnetzzustand herzustellen und diesen langfristig zu wahren.

Dies macht es erforderlich, dass der Kanalinstandhaltung in allen Bereichen die Entwicklung einer angepassten Strategie vorausgeht und deren Umsetzung durch einen kontinuierlichen Planungs- und Überwachungsprozess begleitet wird. Die Herausforderung für den Kanalnetzbetreiber liegt damit darin, sich diese Themen zu erarbeiten, Neuentwicklungen zu verfolgen und ggf. auch anzuwenden. Dass sich diese intensive und strukturierte Auseinandersetzung mit den eigenen finanziellen, technischen und personellen Ressourcen nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis auszahlt, zeigen zahlreiche Untersuchungen, wie z.B. Pilotvorhaben zur Optimierung betrieblicher Abläufe, zur Entwicklung von Spülplänen oder auch von neuen Strategien der Inspektion.

Eine weit verbreitete Annahme ist, dass sich solche Überlegungen nur für "große" Betriebe lohnen, kleinere und mittlere Kommunen aber nicht die hierfür erforderliche Personaldecke aufbringen können. Dass dem nicht so sein muss, soll anhand der Entwicklung einer Sanierungsstrategie der Stadt Rheine mit ca. 76.000 Einwohnern dargestellt werden.

Gängige Praxis ist der Kanalsanierung ist, dass Maßnahmen durchgeführt werden, ohne eine Planung im eigentlichen Sinn vorgenommen zu haben. Umfangreiche Kanalinspektionsergebnisse werden oft nur nach Schäden durchforstet, die mit einer Sofortmaßnahme unverzüglich behoben werden müssen. Die übrigen Schäden bleiben zunächst unberücksichtigt, oft bis die Aktualität der Dokumentation in Frage zu stellen ist. Diese so genannte Feuerwehrstrategie beinhaltet viele Risiken bis hin zu eskalierenden Sanierungskosten durch eine anwachsende Zahl von Sofortmaßnahmen infolge zunehmender Zustandsverschlechterung nicht rechtzeitig sanierter Schäden.

Vor allem der Kostendruck, dem die Abwasserbeseitigungspflichtigen derzeit ausgesetzt sind, sollte dazu führen, dass der Kanalsanierung ein intensiver Planungsprozess vorausgeht: Wie in vielen Bereichen des Ingenieurbaus bietet die Planung auch bei der Kanalsanierung das größte Potential Projekte wirtschaftlich zu gestalten. Unterteilt man ein Projekt in die Phasen Planung und Ausführung, so können in der Regel der Planung ca. 80% des Einsparpotentials bei etwa 5% der Gesamtprojektkosten zugeordnet werden, während die Ausführung bei einem Einsparpotential von 20% über 95% der Projektkosten verschlingt. Hierzu gehört die umfassende Auswertung aller vorliegenden Zustandsuntersuchungen, die Einbeziehung kostenbeeinflussender Randbedingungen und die Festlegung langfristig greifender Sanierungsziele.

Aufgrund der hohen Nutzungsdauer und der Vielzahl der Kanalhaltungen in einem Kanalnetz geht dies allerdings nur mit geeigneten edv-gestützten Entscheidungshilfeinstrumenten, die die langfristigen Auswirkungen von verschiedenen Sanierungsstrategien auf den Kanalnetzzustand und den Finanzhaushalt des Netzbetreibers darstellbar machen.

Praktisch umgesetzt wurde diese Herangehensweise z.B. für das Kanalnetz der Stadt Rheine (Kreis Steinfurt). Hier wurde für das etwa 470 km lange Kanalnetz eine Sanierungsstrategie entwickelt, welche zum einen den rechtlichen Anforderungen der Selbstüberwachungsverordnung NRW (SüwV Kan) genügt und darüber hinaus zu einem langfristigen Werterhalt des sanierten Netzes führt. Dass dies nicht zwangsläufig mit einem übermäßigen Gebührenanstieg verbunden sein muss, wird aus Bild 1 ersichtlich: Die berechnete Gebührenentwicklung liegt, bei zusätzlicher Berücksichtigung der im Rahmen des Zentralentwässerungsplanes zu tätigenden Investitionen, unterhalb des Landesdurchschnitts. Auch langfristig werden sich die Gebühren in Rheine unterhalb des Landesdurchschnitts bewegen.

Die gegenwärtige und auch die zukünftige Herausforderung für die Kanalnetzbetreiber liegt darin, angepasste Methoden zu entwickeln und umzusetzen, mit denen die wachsenden Anforderungen an den ordnungsgemäßen Betrieb von Kanalisationen erfüllt werden können. Die Entwicklung der Kanalsanierungsstrategie für die Stadt Rheine zeigt, dass es auch für kleinere und mittlere Kanalnetzbetreiber möglich ist, sich diesen Herausforderungen erfolgreich zu stellen.

Kontakt

Dipl.-Ing. K. Müller, RWTH Aachen

E-Mail:

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