Seiteneinsteiger im Siel
09.03.2005
Kanalinspektionskameras mit hydraulischem Antrieb gehören seit Jahren zum Repertoire zeitgenössischer Inspektionstechnik für die Untersuchung von Hausanschlüssen und Grundleitungen. In Hamburg wurde Mitte Juni eine neue technische Variante vorgestellt, die sich nun auch von begehbaren Eiprofilen aus in die privaten Abwassernetze einspülen kann.
Enge Zusammenarbeit mit den Kunden als Grundlage praxisnaher Innovation - das ist von jeher das Grundprinzip der Entwicklungsarbeit bei der JT-Elektronik GmbH. So verwundert es nicht, dass der Kamerahersteller aus Lindau am Bodensee seinen neuesten technischen Coup gemeinsam mit der EAM Wasserversorgung, Kassel, gelandet hat. Denn EAM gehört zu den routiniertesten Anwendern von JT's hydraulisch angetriebenen Kamerasystem LRB. Das Grundprinzip dieses Kanalspions ist einfach: Man kombiniert eine hochwertige, miniaturisierte Farbkamera und integriert sie in den Kopf einer herkömmlichen Spüldüse.
Was dabei entsteht, ist -je nach Betrachtungsweise- eine Kamera, die auch Kanäle reinigen kann, oder eine Spüldüse, die sieht, was sie reinigt. Eine spezielle Flüssigkeitslagerung der Optik im Spülkopfgehäuse sorgt dafür, dass auch nach einer Fahrt durch mehrere Leitungsbögen sich stets ein lagerichtiges Bild auf dem Monitor im Einsatzfahrzeug einstellt.
Die LRB-Kombination aus Kamera und Spüldüse erweist sich in vielen, schwierig gelagerten Fällen als sehr nützlich, wie EAM-Operator Oliver Kerl berichtet. Nicht zuletzt deshalb, weil in den Satelliten ein Ortungssender integriert ist, mit dem sich ganz "nebenbei" Leitungsverläufe ermitteln und aufzeichnen lassen - gerade in historisch gewachsenen Industriearealen mit teils unbekannten Leitungsbeständen eine sehr aktuelle Dienstleistung.
Klettertalent für lange Leitungen
Der entscheidende Pluspunkt der Hydro-Kamera ist hier, dass man dank ihres Rückstoßantriebs mit 80 bis 100 bar Spüldruck Einsatzreichweiten überwindet, die mit geschobenen TV-Systemen nicht einmal annähernd zu erreichen sind. Bis zu 140 Meter weit ist die LRB bereits in Grundstücksnetze vorgedrungen, und das in Leitungen kleiner Nennweiten, in denen auch selbst fahrende Kameraeinheiten spätestens am ersten 60°-Bogen unverrichteter Dinge wieder umkehren müssen. So lange der Spülwasserdruck steht, überwindet die Kamera sogar die blanke Vertikale.
Nur vor einem mußte das patente System lange Zeit kapitulieren. Das war der Start aus groß dimensionierten Eiprofilkanälen heraus, wie sie beispielsweise für das Hamburger Sielnetz charakteristisch sind. Hier gab es bislang keinen Weg, den als Satelliten konzipierten Kamerakopf punktgenau in den Anschluß einzulenken. Den Kopf voll guter Ideen, setzte sich EAM-Operator Kerl schließlich mit den Ingenieuren der JT-Elektronik an einen Konstruktionstisch. Was dabei herauskam, bestand im Frühsommer 2002 in Hamburg seine Feuertaufe in Klasse-Sielen unterschiedlicher Dimensionen bis hin zu 1260 mm Scheitelhöhe.
Schwenkarm und Zweitoptik für präzisen Einstieg
Zwei Neuerungen ermöglichen hier den erfolgreichen Seiteneinstieg. Zum einen ein gezielt schwenk- und höhenverfahrbarer Ausleger, der ein flexibles Führungsrohr mit dem innenliegenden Kamerakopf trägt. Die präzise Positionierung der Optik vor dem Anschluß wird andererseits durch eine zweite, auf der Lafette installierte Kamera kontrolliert. Nachdem die Kamera nun ins Siel ein- und an den Stutzen herangefahren ist, schwenkt das Führungsrohr zentrisch vor den Anschluß, der Operator überzeugt sich von der genauen Ausrichtung des Systems und lenkt den Kamerakopf durch dosierte Wasserzugabe in den Anschluß ein.
Nach den rundum erfolgreichen Hamburger Einsätzen hat die EAM einen Rahmenvertrag mit der Hamburger Stadtentwässerung geschlossen. Auf dessen Basis wird die Spülkamera vom Bodensee rund ums Jahr immer wieder in Hamburger Anschlüssen für Aufklärung sorgen. Denn auch die Planer der HSE wissen sehr zu schätzen, dass sich die Dunkelziffer nicht inspizierbarer Anschlußleitungen mit dem System praktisch auf Null reduzieren läßt: Gute Perspektiven für Seiteneinsteiger.
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